Jesse Franklin Bone
- Einfuhrverbot für Horgels
Wenn
Pulp-Fiction-Fans vom Magazin „Super-Science Fiction“ (ja, der
Bindestrich sitzt richtig!) sprechen, tritt für gewöhnlich ein
bewunderndes Glimmen in ihre Augen. Die Zeitschrift ist so etwas wie
DAS kleine gallische Pulp-Dorf in einer Welt seriöser Science
Fiction gewesen. Über seinen Chefredakteur W.W. Scott weiß man
wenig. Fest steht, dass er das Magazin Ende 1956 begründete, zu
einer Zeit, als „echte“ SF-Fans für pulpische Geschichten mit
fiesen Alien-Monstern nicht mehr viel übrig hatten. Doch Scott fand
heraus, dass die Autoren selbst sehr wohl noch Lust auf solche
Gruselgeschichten verspürten, wie sie die Szene der 30er und 40er
beherrschten, und so gründete er eins berüchtigsten
Monster-Pulp-Hefte. Der Erfolg war kläglich – er brachte es nur
auf 18 Ausgaben, die letzte erschien Ende 1959.
Doch
heute ist Super-Science Fiction sehr gesucht, nicht zuletzt wegen der
vielen großen SF-Schriftsteller, die hier augenzwinkernde
Monster-Beiträge lieferten, unter ihnen Isaac Asimov, Henry Slesar,
Harlan Ellison und Robert Silverberg.
In
der kleinen internationalen Sammlerszene waren einige Exemplare von
Ikonen wie Lenny S. und aMouse gescannt worden, doch es gelang lange
nicht – anders als bei Zeitschriften wie Astounding SF oder Amazing
Stories – die klaffenden Lücken zu schließen. 8 der 18 Ausgaben
schienen unauffindbar.
Auf
der Suche nach einer raren Erzählung des Autors Winston K. Marks
stieß ich auf den Sammler Jerry Schneider, der tatsächlich 7 der 8
fehlenden Ausgaben besitzt! Während ich das schreibe, raucht sein
Scanner.
Unter
dem bereits gescannten Material fand sich auch diese kleine
Kostbarkeit, die ich während der düsteren Corona-Tage im April 2020
mit Vergnügen übersetzte. Dass es hier auch um eine Quarantäne
geht, wenn auch um eine ganz andere, erhöhte den
Genuss noch.
I
„Hatten
Sie jemals eine Katze?“ fragte Thompson. Er lehnte sich vor – ein
kleiner grauer Mann in den späten Sechzigern – und starrte seinen
Besucher durch eine altmodische Zweistärkenbrille über den
Schreibtisch hinweg an, der die beiden voneinander trennte. Der junge
Mann, der vor diesem Schreibtisch stand, zappelte ungeduldig vor sich
hin. Thompson blickte auf die Visitenkarte, auf der zu lesen stand:
„Edward Farnsworth,
Internationale
Shows. Agent“ und kraulte die Ohren seiner riesigen Siamkatze, die
auf seinem Schoß saß. Die Katze blickte auf mit trägen blauen
Augen, registrierte Farnsworth mit einem besonders gleichgültigen
Blick, streckte sich, gähnte, und schloss die Augen wieder. Es war
offensichtlich, dass der große braungebrannte Besucher eine
Angelegenheit von vollkommener Unwichtigkeit war.
„Nehmen
Sie Cato hier“, fuhr Thompson fort. „Er ist ein besonders schönes
Exemplar seiner Spezies. Haben Sie jemals etwas Ähnliches besessen
wie ihn?“
„Ja,
einmal“, antwortete Farnsworth. „Als ich auf der Venus war. Aber
ich sehe nicht recht, was das mit meinem Anliegen zu tun hat. Alles,
was ich will, ist eine einfache Antwort. Bekomme ich die Erlaubnis
zur Einfuhr von einem Paar venusianischer Horgels oder nicht?“
„Nicht.“
sagte Thompson knapp.
„Das
ist jetzt das vierte Mal“, seufzte Farnsworth. Ich schätze, dann
werde ich mich an eine höhere Institution wenden müssen.“
„Es
gibt keine höhere Institution, Freundchen. Hier ist das Ende der
Fahnenstange.“
„Ihr
Bürokraten!“ Farnsworths Stimme war erfüllt von schlecht
unterdrückter Wut. „Ihr sitzt hier hinter dem Schreibtisch und
spielt Gott! Erzählt arbeitenden Leuten, was sie dürfen und was sie
nicht dürfen, als ob ihr die Weisheit mit Löffeln gefressen
hättet! Ihr gebt keinen Pfifferling drauf, dass eure dämlichen
Entscheidungen Menschen ruinieren können. Warum in aller Welt wollen
Sie nicht erlauben, dass so etwas Süßes und Cleveres wie die
Horgels zur Erde gebracht werden? Sie sind völlig harmlos! Und sie
selbst sind auch nicht in Gefahr – sie kommen perfekt in
terrestrischer Umgebung klar. Und sie würden unsere Show vor dem
Bankrott retten. Das Publikum würde sie einfach anbeten, wenn man
ihnen eine Chance gäbe!“
„Ja,
ich schätze, das stimmt“, seufzte Thompson. „Aber ich bezweifle,
dass sie jemals eine Gelegenheit dazu bekommen werden. Horgels haben
Einfuhrverbot.“ Es lag eine Spur von Erbitterung in seiner Stimme.
„Katzen
mögen sie nicht!“ ergänzte er ominös.
„Was
hat das denn jetzt damit zu tun?“
„Ich
wiederhole meine Frage – hatten Sie jemals eine Katze?“
„Und
ich wiederhole meine Antwort, Sir: Ja, hatte ich. Sie wissen genau
wie ich, dass Katzen Vorschrift sind, wenn man sich auf der Venus
aufhält, weiß Gott, warum. Es gibt da drüben jetzt Millionen von
Katzen, und einen Mann dazu zu zwingen, mit einer Siamkatze an der
Leine herumzuspazieren, wann immer er aus dem Haus geht, scheint mir
ziemlich schrullig!“
„Sie
sind genau wie alle andern“, seufzte Thompson. „Sie werfen Worte
und Fakten hoffnungslos durcheinander. Sie haben niemals in Ihrem
Leben eine Katze besessen, Sie ...“
„Aber...“
„Sie
dachten nur, Sie hätten eine!“ beendete Thompson seinen Satz
freundlich.
„Ich
hab Papiere, die es beweisen!“
„Na
und? Hat eine Katze Ihnen jemals gehorcht, wenn Sie ihr etwas
befahlen? Hat sie jemals ihre Bequemlichkeit geopfert, um Ihnen
gefällig zu sein? Hat sie irgendeine ihrer Gewohnheiten geändert,
um Ihnen entgegenzukommen?“
Farnsworth
schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht behaupten, dass sie das
gemacht hätte,“ gab er zu. „Ist 'ne widerliche egoistische Brut.
Ich hasse Katzen.“
„Aber
Sie lieben Horgels.“
„Oh
ja! Bin ganz verrückt nach ihnen. Sie sind süß, und clever, und
liebenswert.“
Hm.
Ja, sind sind sie. Genau da liegt das Problem. Sie sind zu süß, zu
clever, zu liebenswert.“
„Sowas
ist unmöglich!“
„Ach
wirklich? Sagen Sie mal – wie lange waren Sie in der Nähe dieser
Horgels?“
„Ein
paar Tage vielleicht. So eine Farmer-Sumpfratte auf der Venus besaß
welche. Hielt sie in einem Käfig. Hat sie nie berührt. Er ließ sie
von einem Eingeborenen füttern. Die armen kleinen Dinger waren
völlig verstört. Ich glaube, sie waren noch nie vorher in einem
Käfig gewesen, und ich verstehe auch nicht, was sie da drin zu
suchen hatten. Das sind die wuschelweichsten, allerschnuckligsten
Dinger. Sie würden perfekte Haustiere abgeben.“
„Zweifellos
würden sie das“, sagte Thompson. „Gutgut, dann ist ja kein
Schaden entstanden. Ach, ganz nebenbei: Haben Sie irgendwelche Katzen
in der Gegend gesehen?“
„Bei
den Horgels? Nee. Außer meiner eigenen natürlich. Aber gehört hab
ich sie. Jaulten die ganze Nacht, die Mistviecher.“
„Gut.
Ein Problem weniger. Ich dachte schon, ich müsste Sie fragen, wo
dieser Händler genau lebt. Jaja, ich weiß, Sie würden's mir nicht
sagen.“
Thompson
strahlte ihn freundlich über seine Brillengläser hinweg an.
„Die
Katzen werden sich drum kümmern. Ist nur eine Frage der Zeit.“
„Sie
meinen – sie bringen diese kleinen Dinger um, die keiner Fliege was
zuleide tun?“
„Klar!
Das ist eine Frage des Überlebens und der stärkeren Spezies.“
Etwas Stahlhartes schwang in Thompsons Stimme mit. „Katzen sind
große Freunde direkten Handelns. Jetzt setzen Sie sich endlich hin,
junger Mann, und ich erzähle Ihnen, warum Sie niemals eine
Einfuhrerlaubnis von dieser Behörde hier bekommen werden, und warum
Ihnen nie wieder gestattet werden wird, die Venus zu besuchen.“
„Das
– das können Sie doch nicht machen!“
„Ich
habs schon gemacht,“ antwortete Thompson sanft. „Ich habe die
Reiseerlaubnis annulliert, bevor ich Sie auch nur gesehen habe.“
„Sie
haben -was ??“
„Sie
haben mich gehört, Freundchen. Die Venus ist dicht für Sie.“
„Aber
warum?“
„Setzen
Sie sich hin, und ich erzähls Ihnen!“
Farmsworth
babbelte verstört vor sich hin, aber er gehorchte. Auf jeden Fall,
überlegte er bitter, würde er so wenigstens etwas aus diesem
äußerst unbefriedigenden Gespräch herausholen.
II
„Sehr
schön!“ freute sich Thompson. „Es geht doch nichts über eine
schöne lehrreiche Lektion. Und die erste Tatsache, die diese Lektion
enthält, wird Sie überraschen: Ich war nicht immer ein Bürokrat.
Einst war ich Biotechniker im Space Service und ein Mitglied der
ersten Venusexpedition. Wir waren fünf an Bord der „Venus I“.
Archie Slezak, der Pilot, Ed Smith, der Navigator, Mitsui Watanabe,
der Ingenieur, und ich. Und natürlich Katy, die Schiffskatze.
Sie
war natürlich kein eingetragenes Crewmitglied, eine riesiges,
schwarzes, kurzhaariges Biest zweifelhafter Abstammung. Bei ihrer
Größe würde ich sagen, da war irgendwo mal eine Wildkatze in ihrem
Stammbaum, doch abgesehen von der Tatsache, dass sie aussah wie ein
schwarzer Panther, war sie anhänglich genug auf ihre Art – und wir
alle kamen ganz gut klar mit ihr. Alle außer Watanabe. Der liebte
sie. Ich glaube sogar, dass er es war, der sie an Bord schmuggelte,
bevor wir starteten, auch wenn er es niemals zugab. Er war ein
Haustier-Fan. Bloß dass sie ihn eigentlich nie groß beachtete.
Meistens streunte sie irgendwo in den dunklen Winkeln des Schiffs
herum, nachdem der Beschleunigungsdruck nicht mehr zu spüren war.
Natürlich
hatten wir ein bisschen künstliche Schwerkraft, aber die betrug nur
etwa ein Achtel der Erdschwerkraft, grade genug, um mit den Füßen
auf dem Boden zu bleiben. Katy liebte das. Es war kein Problem für
sie, sechs Meter durch den Kontrollraum zu springen und dann auf
jemandes Schultern zu landen, so leicht, dass wir sie kaum spürten.
Sie hatte ein unglaubliches Gefühl für die richtige Distanz, und
konnte uns mit ihren Clownerien stundenlang bei Laune halten.
Für
'ne Katze war sie liebenswert genug, bloß ich traute ihr eigentlich
nie so richtig. Da war zu viel Wildkatze in ihr“ - er bückte sich,
kraulte Catos Ohren und schmunzelte, als der dicke Kater ihm leise
auf Siamesisch Liebesworte zuraunte.
„Aber
was...,“ begann Farnsworth.
„Nur
Geduld, ich erzähls ja. Wie ich schon sagte, wir alle dachten, sie
sei amüsant, aber nutzlos - bis zu dem Tag, als sie zu uns mit einer
toten Ratte im Maul hereingeschwebt kam. Er war eine schwangere,
vollgestopft mit Jungen, und ich kann Ihnen sagen, das hat uns einen
Riesenschrecken eingejagt!
Ratten
und Raumschiffe – sehr ungemütliche Kombination. Ratten gebären
schnell und mutieren leicht durch die atomare Triebwerksstrahlung.
Und wenn sie erstmal drin sind im Schiff, sind sie extrem schwer zu
kontrollieren. Besonders fies wird’s, wenn eine intelligente
Mutation auftaucht. Aber Katy stoppte diese Bedrohung, bevor sie
begann.
Wir
stiegen in unsere Raumanzüge und ließen die Luft aus dem Schiff.
Nicht mal Ratten können im Vakuum leben, und wir ließen das Schiff
lang genug offen, um sicherzustellen, dass auch das letzte bisschen
Sauerstoff aus den Fiberglas-Isolierungszwischenräumen im Rumpf
verschwunden war. Glücklicherweise war nicht einer unserer
unerwünschten Gäste lange genug der Strahlung ausgesetzt, um
irgendwelche Mutationen zu entwickeln, und so gelang und eine
vollständige Ausrottung. Wanatabe hatte eine Art Drucktank für Katy
gebastelt, und während des Blowdowns saß sie selbstherrlich drin
wie eine königliche Witwe, während wir die Ratten erledigten.
Danach
war Katy eine Heldin. Und sie nutzte es gründlich aus! Es war fast
so, als ob sie wusste, dass sie nun einen privilegierten Status
erreicht hatte. Sie kommandierte uns herum und starrte uns fordernd
an, so dass wir aufsprangen, falls wir auf einem ihrer
Lieblingsplätze saßen. Sie war nicht besonders nett in dieser
Hinsicht, und wenn Sie je von eine Mieze rumgescheucht wurden, wissen
Sie, was ich meine.
Sie
wollte verhätschelt werden, allerdings zu ihren eigenen Bedingungen
und Zeiten, und ich kann Ihnen sagen – sie suchte sich die
miesesten Zeiten aus. Wann immer Smitty mit Berechnungen beschäftigt
war, setzte sich das Vieh auf seine Blätter, Schwanz hochgereckt,
mit bildschönem Buckel und einem Schnurren so laut wie eine
Dynamomaschine. Unweigerlich würde sie, wenn ich die Algentanks auf
ihr ökologisches Gleichgewicht hin überprüfte, garantiert
versuchen, die Ökologie durcheinander zu bringen. Und in jedem Fall,
in dem sich Mitsui den Maschinen widmen wollte, konnten Sie drauf
wetten, dass er sich vorher der Katze widmen musste.
Sie
war eine Pest.
Doch
dem armen Slezak ergings am übelsten von uns allen. Aus irgendeinem
unbekannten Grund liebte Katy ihn – und Archie hasste Katzen! Sie
pflegte um ihn herumzustreichen und Liebenswürdigkeiten auf
kätzisch zu gurren, um dann knochenlos wie ein nasser Sack in seinen
Schoß zu plumsen und zu schlafen.
Könnte
sein, dass Archies Körpertemperatur was damit zu tun hatte; er war
immer ein bisschen mehr aufgeheizt als wir es waren. Aber Archie
pflegte zu sagen, dass sie ihn absichtlich ausgesucht hatte aus
schierer Bosheit – tja, und da konnte ich ihm eigentlich nicht
widersprechen.
III
Wir
verbrachten zwei Monate im Trägheitsmodus – damit meine ich nicht,
dass wir nichts taten, sondern dass das Schiff ohne zusätzlichen
Antrieb mit seinem Startschub dahinflog – und dann leiteten wir den
Bremsvorgang ein. Nachdem die Flugbahn genau justiert war, drehten
wir uns in Richtung Venus, schalteten die Treibwerke hoch, und den
Rest besorgte der Planet. Dann tauchten wir ein in den Ionengürtel
und drehten ein paar Runden um die Venus, und die Moleküle der
oberen Schichten verlangsamten unsren Schwung, ohne uns allzusehr
aufzuheizen. Gleichzeitig erlaubten die Entschleunigungsrunden uns,
einen Blick auf die Welt unter uns zu werfen.
Wir
checkten die Atmosphäre. Die Oberschicht bestand hauptsächlich aus
Kohlendioxid und Formaldehyd, genau so, wie die Astronomie-Jungs es
vorhergesagt hatten. Doch das Zeug war weder dick noch wolkig. Die
Wolken waren alle weit unten, nahe der Oberfläche. Wie Sie ja
wissen, hat Venus eine Schwergas-basierte Atmosphäre, doch der
Sauerstoffanteil war hoch; hoch genug jedenfalls, um atmen zu können,
wenn Sie damit leben konnten, daß es überall roch wie im
Leichenschauhaus. [Formaldehyd
wird zum Einbalsamieren von Leichen verwendet. Anm. d. Übers.]
Unsere
Anweisungen lauteten zu landen, wenn es irgendwie möglich war, und
so machte Slezak alles an Bord bereit fürs Runterkommen. Wir kamen
auch gut runter, und setzten auf einem dieser flachen Hügel auf, die
aus dem Sumpf herausragen. Viel war natürlich nicht zu sehen. Venus
war ein herrlich beschissener Ort mit diesem ständigen Regen und dem
Duft eines viertklassigen Beerdigungsinstituts. Aber das brauche ich
Ihnen ja nicht zu sagen. Sie wissen ja selbst, wie es ist. Sie waren
ja da.“
„Hat
sich nicht sehr verbessert“, gestand Farnsworth.
„Jede
Verbesserung auf der Venus wäre ein Segen“, fuhr Thompson fort.
„Wie
auch immer, wie taten das Übliche, rammten die Fahne in den Boden
und nahmen den Planeten in Besitz, und während Slezak und ich im
Schiff blieben um aufzupassen, zogen Smitty und Watanabe los auf
Entdeckungstour. Wir zogen Streichhölzer. Slezak und ich hatten
gewonnen.
Aber
auch wir blieben nicht im Schiff, sondern strichen in der Nähe rum
und drehten ein paar Runden, um uns die Beine zu vertreten. Unsere
Expedition war nicht dafür ausgerüstet, große Forschungsausflüge
zu unternehmen, aber wir mussten schließlich ein bisschen was
machen, um unserer Eroberung einen Anstrich von Legalität zu geben.
Die wirkliche Arbeit kam später, wenn die Jungs zu Hause unsere
Daten auszuwerten begannen. Aber zumindest hatten wir die Ehre, die
ersten Menschen zu sein, die den Fuß auf die Venus setzten.“
Thompson hustete entsetzlich und lächelte, als der Anfall vorüber
war. „Schon die Erinnerung macht mich krank!“ erklärte er. „Ich
konnte Formaldehyd nie ausstehen. Meine Lungen haben den Zustand
ihrer Einbalsamierung inzwischen überwunden, aber mein Gedächtnis...
schon an die Venus zu denken verursacht mir Hustenreiz.
Es
dauerte etwa ne Stunde, bis Smitty und Mitsui zurückkamen. Mitsui
hatte einen Horgel in seinen Armen. Wie gesagt, er war vorher schon
ein großer Haustier-Fan gewesen, aber diesmal, dachten wir alle,
hatte er wirklich den Hauptgewinn gezogen. Niemand von uns hatte je
zuvor einen Horgel gesehen, und das Vieh sah so unschuldig und
schnucklig aus, dass wir alle sofort hin und weg waren.
Mit
seinem rosa Fell und den violetten Augen sah es einer Kinderpuppe
verblüffend ähnlich – ein winziger Teddy-Bär mit Knopfnase,
schwarzen, händeähnlichen Pfoten und einem Ausdruck äußersten
Vertrauens auf seinem spitz zulaufenden Gesichtchen. Aber das allein
erklärte noch nicht seine Ausstrahlung. Ich schätze, in jedem Mann
steckt ein Funken Mütterlichkeit. Denn dieses verdammte Ding rührte
daran – es rührte an etwas, das man nicht anders als den
'mütterlichen' Instinkt bezeichnen kann. Es lässt sich nicht anders
beschreiben.
Das
Ding machte uns alle butterweich, und jeder von uns wollte es
unbedingt halten und beschützen.“
„Ich
weiß“, sagte Farnsworth. „Hab so ein Ding selbst auf dem Arm
gehabt.“
„Mitsui
hatte sich vollständig in das Wesen verknallt. Sie wissen ja, wie
emotional diese Japaner sein können. Er wiegte und schaukelte es in
seinen Armen und flüsterte ihm süße Worte in die kleinen
Muschelöhrchen- und es gurrte zu ihm zurück! Eigentlich hätte mich
dieses Getue anwidern sollen – aber ich wollte nichts anderes, als
es genauso machen – ich sehnte mich so danach, dass es wehtat! Ich
wollte die Weichheit seines Fells fühlen, mit ihm schmusen und es
knuddeln. Ich wollte es, wie man eine Frau will. Smitty war grün vor
Eifersucht – und sogar Slezak sah interessiert aus. Wir alle
benahmen uns ein wenig sonderbar. Aber ich denke, damals erschien uns
das alles ziemlich angemessen.
Katy
reagierte allerdings nicht so, wie wir dachten. Sie kam zum
Haupteingang heraus, stolzierte deliziös herum, als liefe sie auf
rohen Eiern und hätte Angst sie zu zerbrechen – aber in dem
Moment, als sie den kleinen rosa Flauschball in Watanabes Armen sah,
änderte sich ihr Gehabe blitzartig. Sie machte einen Buckel, und ihr
Schwaz sah aus wie eine Flaschenbürste! Sie ließ ein hassvolles
Gejaule ertönen und griff Mitsui völlig überraschend an. Sie
schlug ihre Krallen in seine Kleidung, kletterte an ihm hoch und
kroch auf den Horgel zu, wütend fauchend und erfüllt von
unsäglicher Raserei!
Der
Horgel schrie nur einmal auf. Er klang so sehr wie ein verletztes
Baby, dass wir vor Schreck für einen Moment völlig paralysiert
waren. Und während wir so dastanden, sprang er aus Mitsuis Armen und
rannte unbeholfen über die verkohlte Landeebene auf den 40 Meter
entfernten Dschungel zu. Er sollte ihn nie erreichen. Katy war hinter
ihm her wie der Blitz. Sie erwischte ihn nach 15 Metern, und zu dem
Zeitpunkt, als wir die Szene erreichten, hatte sie ihn schon rasch
und vollständig zerlegt.
Wissen
Sie, ich habe Katzen oft töten sehen, und es schien mir stets, als
ginge es ihnen vor allem um den Spaß dabei. Katzen scheinen immer
aus sportlichen Gründen zu töten, als wäre es ihr liebstes Hobby.
Doch
diesmal war nichts Sportliches an Katy. Sie packte diesen Horgel
einfach und riss ihn in kleine Fetzen.
Mitsuis
Herz war gebrochen. So wie er sich benahm, hätte man glatt denken
können, Katy hätte seinen kleinen Bruder gekillt. 'Ich habe das
kleine Ding geliebt!' schluchzte er. 'Ich werde niemals wieder so
etwas Vertrauensseliges und Liebevolles finden! Oh, diese verdammte
dreckige Mistkatze!'
Etwas
an dieser Klagearie ließ mich aufhorchen. Mitsui war bisher immer
derjenige gewesen, der Katy bei allem verteidigt hatte. Er mochte sie
unheimlich gern und verschwendete dreimal soviel Zuneigung an sie wie
alle andern. Aber nun hätte er sie mit Freude getötet. Katy
ihrerseits schien zu spüren, wie er sich fühlte, denn sie trat
einen schnellen Rückzug zum Raumschiff an und versteckte sich dort
in einer dieser dunklen Ecken, die sie so gut kannte, während Mitsiu
auf der Suche nach ihr das Schiff durchstreifte und auf japanisch die
Flüche ganzer Generationen auf ihr mörderisches Haupt beschwor.
Katy
ignorierte ihn natürlich.
Allmählich
kochte Mitsui nach einer Stunde oder so wieder runter, aber er
verbrachte den Rest des Abends damit, eine stabile Box mit
verschließbarer Klappe zu bauen.
'Ist
nicht so, dass ich Katy nicht mag' entschuldigte er sich, 'aber ich
liebte das kleine Ding.'
Er
wartete geduldig, bis Katy aus ihrem Versteck kam, schaufelte sie
hoch und stopfte ihren überraschten Körper in die Box. 'Da bleibst
du drin, bis du gelernt hast, dich zu benehmen', knurrte er grimmig.
Dann, ohne ein weiteres Wort zu sagen, ging er raus, um ne halbe
Stunde später mit einem neuen rosa Viech wiederzukommen, genauso
eins wie das, das wir verloren hatten. Er grinste von einem Ohr zum
andern. 'Dahinten ist eine Art Dorf', sagte er, in Richtig
Ausgangsportal zeigend, 'und von diesen Dingern gibt’s da so viel
wie Flöhe auf 'nem Hunderücken. Die Eingeborenen halten sie als
Haustiere.'
Und
so hatte Mitsui als erster Mensch ganz nebenbei die dominierende
Intelligenz auf der Venus entdeckt. Aber das war uns ziemlich
schnurz. Wir wollten nichts weiter als eine von diesen entzückenden
Kreaturen für uns allein. Und dieses Mal zogen wir keine Strohhalme.
Wir gingen alle zusammen los und ließen eine schäumende Katy einsam
zurück in ihrer Box.
IV
Das
Dorf war eine Ansammlung elender Hütten, vollgestopft mit humanoiden
Eingeborenen. Sie kennen sie ja, dumme, apathische Primitive, die
einem auf Schritt und Tritt folgen – entweder um zu betteln oder zu
stehlen. Wie mir zu Ohren gekommen ist, sollen sie sich nicht sehr
verändert haben.
Der
einzige Unterschied zu heute war, dass dieses Dorf geradezu
überschwemmt war mit Horgels. Sie tauchten überall auf und wuselten
furchtlos durch die Siedlung, so als wären sie eine Meute von
Schoßhunden.
Soweit
wir das beurteilen konnten, waren die Eingeborenen ein harmloser
Haufen. Was wir in Erfahrung bringen konnten, lief darauf hinaus,
dass sie ihre Zeit totschlugen, indem die fischten und sich um ihre
Haustiere und Kinder kümmerten. Die Art, wie sie diese rosa
Flauschbälle verhätschelten, war frappierend. Ich habe sogar
stillende Mütter gesehen, die sie an derselben Brust säugten wie
ihre Kinder! Diese Horgels schienen alle anderen Wesen zu einem
gigantischen Ausbruch von vollkommener Liebe und Zärtlichkeit zu
inspirieren.
Die
Ureinwohner protestierten nicht, als sich jeder von uns einen Horgel
vom Boden aufschaufelte und in seinen Armen wog. Es gab jede Menge
davon, und sie schienen Gemeinbesitz zu sein. Die Horgels mochten uns
anscheinend ebenso gern wie wir sie, denn im Handumdrehen benahmen
wir uns trotz unseres Raumfahrer-Berufs alle wie kleine Kinder. Sie
hatten einen von ihnen in den Händen, Sie wissen, wie man sich
fühlt.“
Farnswoth
nickte. „Sie sind umwerfend“, schwärmte er. „Ich habe nie
wieder so etwas gefühlt wie damals, als ich sie im Arm hielt. Es
gibt keinen Ausdruck dafür.“
„Genauso
ist es, Freundchen. Wahre Liebe!“ säuselte Thompson mit sanfter
Stimme, um dann zynisch zu werden. „Jedenfalls schleppten wir sie
natürlich mit ins Schiff, und Katy drehte völlig durch in ihrer
Box. Sie fluchte, fauchte, schrie, spuckte und kratzte, bis sie
völlig erschöpft war – dann lag sie auf dem Boden der Box und
knurrte uns an. Es war kein schönes Geräusch, aber es brachte ihr
nichts. Die Box hätte auch einen Lux ausgehalten. Wir hörten gar
nicht hin.
Wir
waren fasziniert von den Horgels. Sie waren wundervoll: Wuschlig,
clever, anhänglich und auch noch intelligent! Mitsui brachte seinem
innerhalb von Minuten bei, „Sitz“ zu machen, und daraufhin
verbrachten wir Stunden damit, ihre Fähigkeiten zu erforschen.
„Sie
konnten fast alles außer reden – und selbst da waren sie nahe
dran. Sie schienen instinktiv zu wissen, was wir wollten – und was
uns am meisten gefiel. Und dann taten sie genau das.
Wir
hatten nie wieder im Leben so viel Spaß wie dabei, den Mätzchen und
Possen unserer neuen Haustiere zuzusehen. Sie waren die geborenen
Komödianten, und brachten uns ganze Nächte lang zum Lachen. Das war
eine glückliche Zeit für alle von uns. Und wenn wir schließlich
ins Bett gingen, hatte jeder seinen Horgel im Arm.
Und
niemand dachte daran, Katy zu füttern!
Es
wär aber vermutlich auch nicht viel dabei rausgekommen, wenn wirs
getan hätten, denn sie war so durchgedreht, dass sie jedes Futter
verschmäht hätte. Und ihr Zustand wurde nicht besser. Allerdings
vergaßen wir sie nicht ganz – nach etwa einem Tag gaben wir ihr
Futter und ließen sie allein. Wenn sie fressen wollte – o.k.
Ansonsten kümmerten wir uns nicht im sie. Tja, sie war eine Katze –
also war sie vernünftig – und so fraß sie. Doch sie hatte für
diese Freundlichkeit von uns nicht viel Dankbarkeit oder gar
Zuneigung übrig. Sie zog sich lediglich in die hinterste Ecke ihrer
Box zurück und fauchte uns an.
Wir
verbrachten noch mehrere Tage auf der Insel im Sumpf, fanden aber
nicht Interessantes außer den Eingeborenen und den Horgels. Wir
machten Fotos und Notizen und gaben uns verzweifelte Mühe, wenigsten
etwas von der absolut unverständlichen Sprache der Einwohner zu
verstehen. Das Einzige, was wir aus ihnen herausholen konnten, war
der Name der rosa Kreaturen, und dass jeder sie liebte.
Natürlich
mussten wir früher aufbrechen, als uns lieb war, doch Venus war
dabei, die Konjunktion zu verlassen, und wenn wir zu lange warteten,
würde unser Tankvorrat nicht bis zurück zur Erde reichen. So
verstauten wir unsere Horgels und uns selbst im Schiff, dampften ab
in Richtung Erde und sagten dem Formaldehyd-Gestank der Venusluft
Lebewohl.
V
Wir
waren etwa eine Woche unterwegs und hatten unsere
Höchstgeschwindigkeit erreicht, als es passierte. Irgendwie gelang
es Katy, ihr Gefängnis zu öffnen und zu entkommen. Das erste, das
ich von ihr mitbekam, war, dass sie meinen Horgel umbrachte. Sie
zerbiss sein Rückgrat, als es schlafend in meinem Bett lag. Sie
hatte sich so leise angeschlichen, dass ich überhaupt nicht wusste,
wie mir geschah, bis ich erwachte und meinen süßen kleinen
Flauscheball kalt und steif in meiner Armbeuge fand.
Ich
hielt danach die ganze Zeit nach der Katze Ausschau, jede freie
Minute, die ich erübrigen konnte. Um sie zu töten. Meinen Horgel zu
verlieren war wie ein Kind zu verlieren! Ich war untröstlich – und
ich verzehrte mich vor Neid über meine glücklicheren
Crewmitglieder. Ihre Horgels waren noch am Leben, und meiner war tot!
Und die Kameraden waren absolut eigensüchtig! Sie mussten wissen,
wie ich mich fühlte, aber sie dachten gar nicht daran, ihre Horgels
auch nur für eine Minute mit mir zu teilen. Ich kam mir vor wie ein
Single auf einer einsamen Insel, die ausschließlich mit glücklichen
und zufriedenen Paaren bevölkert ist. Ich war außen vor – und
todunglücklich!
Es
war schon seltsam, wie die Horgels plötzlich zum Symbol wurden für
all die attraktiven Frauen, die ich begehrt und nie bekommen hatte.
Neben dem Verlust meines Lieblings war es die Gleichgültigkeit
meiner Schiffskameraden, die meinen Schmerz noch unerträglicher
machte, als er sonst schon gewesen wäre. Ich war schlimm dran.
Zunächst war ich nur verletzt und deprimiert, doch nach und nach
fing ich an, die andern für ihr Glück zu hassen. Ich hasste sie für
ihre Selbstsucht, ihr mangelndes Einfühlungsvermögen. Und
schließlich dachte ich an Mord.
Welches
Recht hatten diese anderen, Horgels zu besitzen, wenn ich keinen
hatte? Ich grübelte finster darüber nach, während wir erdwärts
rasten. Ich verfluchte sie dafür, dass sie all die Freuden
liebevoller Gesellschaft genossen, während ich allein in der Kälte
saß. Und während ich so darüber nachdachte, kam mir in den Sinn,
dass Smitty derjenige von uns war, den wir am leichtesten entbehren
konnten. Ich lauerte ihm in einem Gang auf und zertrümmerte ihm
beinahe den Schädel mit einem Schraubenschlüssel. Er sackte zu
Boden, Blut schoss aus seinem Kopf, doch ich verschwendete keinen
Gedanken an ihn, bevor ich seinen Horgel hatte. Sobald ich den rosa
Flascheball in meinen Armen lielt, tat er mir leid. Ich schleppte ihn
zu seiner Liege und verband seine Verletzung, so gut ich konnte. Den
Horgel gab ich natürlich nicht zurück.
Seltsamerweise
schienen die andern über meine Untat nicht im mindesten schockiert
zu sein. Solange es wegen eines Horgels war, und natürlich nicht
wegen ihres Horgels, schien für sie alles in Ordnung. Doch nachdem
sich Smitty etwas erholt hatte, begann ich zu fürchten, er könne
versuchen, sich das Tier zurückzuholen. Und das, schwor ich mir
grimmig, würde nie passieren. Das Exemplar, das ich gestohlen hatte,
war mir ebenso teuer wie das, was ich verloren hatte – ich hätte
nichts in der Welt dafür eingetauscht. Es war meine ganze Freude,
und ich wachte wie ein Schießhund darüber, dass ihm nichts zustieß.
Ich
konnte Katy und ihren Hass auf die kleinen Viecher nicht vergessen.
Und die Katze lief immer noch frei rum, streifte irgendwo durchs
Schiff auf der Suche nach Horgels, die sie töten konnte. Allerdings
suchte ich nicht nach ihr. Ich ging keinerlei Risiko ein, meinen
Liebling zu verlieren. Stattdessen hielt ich mich an Orten auf, die
mir sicher schienen – und schleppte den Schraubenschlüssel, mit
dem ich Smitty beinahe erschlagen hatte, immer mit mir herum. Und
nicht nur wegen Katy.
Das
war allerdings ziemliche Energieverschwendung. Als die Tage vergingen
und Katy nirgendwo auftauchte, ließ unsere Wachsamkeit nach.
Außerdem wollten die Horgels auch nicht ununterbrochen
herumgeschleppt werden. Sie waren aktive kleine Dinger, die gerne
rumtollten.
Und
so gaben wir allmählich nach und erlaubten ihnen, im Kontrollzentrum
herumzulaufen. Nach gründlicher Durchsuchung des Raums, versteht
sich. Hier pflegten sie zu spielen und miteinander zu toben, während
wir sie sorgsam und habgierig im Auge behielten. Smitty betrachtete
sie von seiner Liege aus, wo er mit bandagiertem Kopf lag – und
sein Blick bekam einen mörderischen Ausdruck, wenn er auf mich fiel.
Ich wusste nur zu gut, was ihm durch den Sinn ging, und bis zu einem
gewissen Grad hatte ich Mitgefühl mit ihm. Doch ein Haustier wie ein
Horgel war den Hass aller Smittys dieser Welt wert. Ich fühlte mich
super. Ich hatte einen Horgel und er nicht.
Und
dann schlug Katy zu! Sie musste mit teuflischer Geduld auf ihre
Gelegenheit gewartet haben, denn als Mitsui die Tür öffnete, um
nach den Triebwerken zu sehen, huschte sie hinein.
Ein
Hieb mit ihrer Tatze legte die Gedärme der fragilen kleinen Kreatur
frei, die ihr am nächsten war. Sie schnappte sich ein weiteres Tier
und galoppierte damit durch die Tür und das Schiff mit diesen langen
eleganten Sprüngen, die sie während unserer Weltraumreise so
perfektioniert hatte. Das alles passierte derart schnell, dass weder
Slezak noch ich die Zeit fanden einzugreifen. Mitzui hatte nur die
Gelegenheit zu einem erschrockenen Fluch, als Katy mit dem
herzzerreißend schreienden Horgel den Gang hinunterfegte. Das
Gekreisch erstarb zu einem erstickten Wimmern, als sie verschwand.
Wir
fanden den zerrissenen rosa Körper ein paar Minuten später im
Triebwerksraum. Aber keine Spur von Katy.
Jetzt
gabs also statt vier Männern und drei Horgels nur noch einen Horgel
und vier Kerle.
Slezak
und ich hielten es eine Woche aus, bevor wir eine aus Not und
Verzweiflung geborene Vereinbarung trafen. Wir würden Mitsui den
letzten Horgel wegnehmen und ihn zwischen uns teilen. Wenn wir
gezwungen waren, Mitsui umzubringen, um das Tier zu bekommen, nun, so
war das eben Pech für ihn.
Wir
schüttelten uns die Hände, um den Packt zu besiegeln, aber ich
wusste nach einem Blick in seine Augen, dass er nicht daran dachte,
sich an die Abmachung zu halten. Und ich hatte keine Lust mehr auf
gebrochene Versprechen. Also beschloss ich, ihn zu töten, nachdem
wir mit Mitsui fertig waren. Dann würde ich Smitty endgültig
eliminieren und hätte die entzückende Kreatur ganz für mich allein
ohne lästige Konkurrenz, die meine Freude trüben könnte. Und ich
würde Katy keine weitere Chance geben.
All
das war perfekt und logisch durchdacht. Schließlich gab es nur einen
Horgel, und er sollte demjenigen gehören, der am besten auf ihn
aufpassen konnte. Ich war zweifellos derjenige welche – nachdem ich
schon zwei verloren hatte, war ich erfahrener als die anderen und der
Gefahren voll bewusst, die von der Katze ausgingen.
Aber
es war schwierig, Mitsui in einem unaufmerksamen Moment abzupassen.
Er stolzierte mit dem Horgel unter seiner Jacke herum – und einer
geladenen Pistole in der Tasche. Anscheinend hatte er die Kanone
trotz des strengen Verbots privater Waffen mit eingeschmuggelt. Er
sagte, es sei wegen Katy, aber Slezak und ich wussten es besser. Wir
wussten, dass die Waffe für uns bestimmt war, wenn wir versuchen
würden, ihm den Horgel abzunehmen. Das ließ uns sehr vorsichtig
sein.
So
sehr wir das liebenswerte kleine Wesen haben wollten, mit dem Leben
bezahlen wollten wir dafür nicht.
Es
brachte auch nichts, Gewehre zu tragen. Sie waren nur für den
Außengebrauch – selbst wenn wir ihren Rückstoß bei einem Achtel
Erdschwerkraft hätten händeln können, wären sie doch in den
beengten Eingeweiden des Schiffes viel zu unhandlich gewesen.
Es
war eine schräge Situation – und sie hätte durchaus ihre
komischen Seiten gehabt – ohne ihre tödlichen Untertöne. Smitty
erholte sich bald so weit, dass er wieder rumlaufen konnte, und
natürlich fraternisierte er mit uns zwei Habenichtsen. Er war noch
ziemlich schwach, aber jede Hilfe stärkte unsere Sache und schwächte
Mitzuis. Trotzdem war ich mir immer der unheilsschwangeren Blicke
bewusst, mit denen er mich betrachtete.
Ich
musste Smitty endgültig loswerden, nachdem wir Mitsui losgeworden
waren, sonst würde er sich mit Slezak zusammenraufen, um mich zu
killen. Ich erwischte die beiden eins-, zweimal dabei, wie sie
heimlich miteinander flüsterten, und ihre schuldbewussten Blicke
waren Beweis genug für ihre düsteren Absichten. Doch niemand von
uns wagte es, Mitsuis Kanone zu trotzen.
So
lagen die Dinge für fast eine Woche. Wir hatten schon die ersten
Ausläufer der Erdatmosphäre erreicht, und Mitsui war mit den
Maschinen beschäftigt, als wir unseren Coup starteten. Ich sprang
ihn von hinten an, wären Slezak und Smith in von den Seiten
angingen.
Aber
ich hatte vergessen, dass der Japaner sich genauso mit Jiu Jitsu
auskannte wie wir mit Boxen. Er bückte sich – und ich flog
plötzlich über seinen Kopf. Ich landete mit einem Plumps auf dem
Boden, der mir den Atem aus dem Leib trieb. Ich war gelähmt vor
Schmerzen und ganz benommen vom Schock, doch ich sah mit
Befriedigung, dass Slezak seine Pistole erwischt hatte.
Doch
Mitsui war noch nicht fertig mit uns. Er behandelte Smith mit einem
Judogriff, der ihm fast den Kopf von den Schultern gerissen hätte
und wandte sich dann Slezak zu – eine gedrungene eisenharte Furie
mit tödlichen Händen. Slezak hatte nicht mal Zeit, die Waffe zu
heben.
Doch
der Kampf hatte Mitsuis Jacke aufgerissen, und der Horgel fiel aus
den zerschlissenen Fetzen. Mit einem entsetzten Aufheulen bückte
sich Mitsui, um das rosa Fell-Geschöpf aufzuheben. Slezak rammte ihm
krachend den Griff der Kanone auf den Hinterkopf, bevor jemand von
uns begriff, was den Japaner so laut hatte aufschreien lassen. Katy
sprang hinter einem Maschinengehäuse hervor, entriss den Horgel aus
Archies zuschnappenden Händen und killte das Wesen mit einem
einzigen Biss!
Ohne
Slezaks Verzweiflungsschrei auch nur im Geringsten zu beachten,
zerkratzte und zerschlitzte sie das Ding zu blutigen Streifen, machte
dann einen Buckel und fauchte uns an, als wollte sie sagen: 'Tja,
jetzt habe das letzte kleine Monster gekillt – was wollt ihr
dagegen tun?'
Slezak
beugte ich hinab und nahm die Katze fast zärtlich hoch, drehte sich
um – und schmetterte ihren Kopf gegen die Bordwand mit einer Wucht,
die ein Pferd getötet hätte. Dann fiel er auf die Knie, sammelte
die blutigen Fetzen des Horgels auf und weinte wie ein Baby.
Irgendwie
bekamen wir es hin, das Schiff zu landen, und als das Empfangskomitee
uns begrüßte, verwandelten sich dessen Beglückwünschungen in
schreckenvolles Starren. Natürlich fanden sie raus, was passiert
war, und sie schickten bei der nächsten Expedition keine Forscher
hoch, sondern Katzen, ein paar hundert Stück. Das Schiff
registrierte die genaue Landungsposition, ließ die Katzen raus und
kam zurück. Erst danach sandten sie neue Forschungteams hin. Und so
verfahren sie bis heute. Seit etwa 50 Jahren versuchten sie nun den
Planeten zu „desinfizieren“ - offensichtlich ist ihnen das nicht
ganz gelungen.“
„Waren
Sie nochmal auf der Venus, um nachzusehen, was die Katzen angestellt
haben?“ fragte Farnsworth.
Thompson
schüttelte seinen Kopf. „Nein“, gab er zu, „ich bin nie
zurückgekehrt. Ich...hatte nicht den Mut,“ fügte er hinzu. „Ich
mag Horgels nämlich auch, wissen Sie? Aber solange ich ein paar
Millionen Kilometer von ihnen entfernt bin, ist es nicht so schlimm.
Ich kanns mir sogar erlauben, philosophisch über diese Angelegenheit
zu nachzudenken. Aber da oben... Das alles nochmal zu erleben, und
nochmal zu fühlen, was ich einst gefühlt habe... das würde mich in
den Wahnsinn treiben!
Und
nebenbei bemerkt, Farnsworth, das ist genau der Grund, warum Sie
Erd-Arrest haben. Nun, da Sie wissen, dass wir die Horgels methodisch
ausrotten, müssen Sie einsehen, dass die Venus kein gesunder Ort für
Sie ist. Es mag Ihnen seltsam vorkommen – aber die Regierung sorgt
sich um die Gesundheit ihrer Bürger und hat kein Verlangen danach,
sie in unnötiger Gefahr für Leib und Verstand zu wissen. Nachdem
Sie einen Horgel auf dem Arm hatten, sind Sie ein untragbares Risiko.
Sie sind lebenslänglich auf die Erde verbannt!“
Farnsworths
Protest wurde abgeschnitten, indem Thompson unmittelbar fortfuhr und
damit radikal jeder möglichen Unterbrechung zuvorkam.
„Sehen
Sie, unsere Experten fanden heraus, wo das Problem lag. Horgels sind
eine ernstzunehmende Bedrohung. Wir Raumfahrer haben sie vorher nie
in diesem Licht gesehen. Denn wir dachten, wir besitzen diese
Viecher, und in Wirklichkeit war genau andersrum. Und sie waren
gierig. Sie wollten nicht nur einen Menschen, sie wollten alle! Auf
der Erde wäre so ein Geschöpf zerstörerischer als die Atombombe.
Was ein einziges Exemplar an Bord uns antat, war nur eine winzige
Kostprobe dessen, was sie wirklich ausrichten könnten, wenn man
ihnen Gelegenheit dazu gegeben hätte.“ Thompson schauderte. „Dank
Katy sind wir an diesem Schicksal grade noch mal verbeigeschrammt.“
„Aber
warum hasste die Katze sie so sehr?“ fragte Farnsworth neugierig.
Thompson
erhob sich seufzend und schob Cato von sich, der mit einem
geschmeidigen Satz zu Boden sprang und dort sein Missfallen kundtat.
Er blickte zum Katze hinab und lächelte. „Du denkst vielleicht, du
besitzt mich, alter Junge – aber was du denkst und was ich denke
sind, schätze ich, zwei verschiedene Dinge.“ Er wandte sich
Farnsworth zu und antwortete bedächtig: „Was Ihre Frage angeht -
da gibt es zwei mögliche Lösungen. Die Biologen sagen, es hat was
mit dem Körpergeruch der Horgels zu tun – der Effekt scheint eine
Art von negativer Katzenminze zu sein. Aber ich glaube, da liegen sie
falsch. Ich glaube, es ist etwas viel Grundsätzlicheres. Sehen Sie –
wie ich schon gesagt habe, Sie besitzen eine Katze nicht. Die Katze
besitzt Sie – und die Horgel-Viecher – sie kommen diesem
Besitzrecht in die Quere. Katy war die Schiffsqueen, und sie konnte
die Konkurrenz nicht ertragen. Und dafür sollte ihr die menschliche
Rasse ewig dankbar sein.“
Originaltitel:
Quarantained
Species
Super-Science
Fiction 1957-12
Übersetzung:
Matthias Käther © 2020
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