Samstag, 18. April 2020

Jesse Franklin Bone: Einfuhrverbot für Horgels (1957) SF


Jesse Franklin Bone - Einfuhrverbot für Horgels


Wenn Pulp-Fiction-Fans vom Magazin „Super-Science Fiction“ (ja, der Bindestrich sitzt richtig!) sprechen, tritt für gewöhnlich ein bewunderndes Glimmen in ihre Augen. Die Zeitschrift ist so etwas wie DAS kleine gallische Pulp-Dorf in einer Welt seriöser Science Fiction gewesen. Über seinen Chefredakteur W.W. Scott weiß man wenig. Fest steht, dass er das Magazin Ende 1956 begründete, zu einer Zeit, als „echte“ SF-Fans für pulpische Geschichten mit fiesen Alien-Monstern nicht mehr viel übrig hatten. Doch Scott fand heraus, dass die Autoren selbst sehr wohl noch Lust auf solche Gruselgeschichten verspürten, wie sie die Szene der 30er und 40er beherrschten, und so gründete er eins berüchtigsten Monster-Pulp-Hefte. Der Erfolg war kläglich – er brachte es nur auf 18 Ausgaben, die letzte erschien Ende 1959.
Doch heute ist Super-Science Fiction sehr gesucht, nicht zuletzt wegen der vielen großen SF-Schriftsteller, die hier augenzwinkernde Monster-Beiträge lieferten, unter ihnen Isaac Asimov, Henry Slesar, Harlan Ellison und Robert Silverberg.
In der kleinen internationalen Sammlerszene waren einige Exemplare von Ikonen wie Lenny S. und aMouse gescannt worden, doch es gelang lange nicht – anders als bei Zeitschriften wie Astounding SF oder Amazing Stories – die klaffenden Lücken zu schließen. 8 der 18 Ausgaben schienen unauffindbar.
Auf der Suche nach einer raren Erzählung des Autors Winston K. Marks stieß ich auf den Sammler Jerry Schneider, der tatsächlich 7 der 8 fehlenden Ausgaben besitzt! Während ich das schreibe, raucht sein Scanner.
Unter dem bereits gescannten Material fand sich auch diese kleine Kostbarkeit, die ich während der düsteren Corona-Tage im April 2020 mit Vergnügen übersetzte. Dass es hier auch um eine Quarantäne geht, wenn auch um eine ganz andere, erhöhte den Genuss noch.
I

Hatten Sie jemals eine Katze?“ fragte Thompson. Er lehnte sich vor – ein kleiner grauer Mann in den späten Sechzigern – und starrte seinen Besucher durch eine altmodische Zweistärkenbrille über den Schreibtisch hinweg an, der die beiden voneinander trennte. Der junge Mann, der vor diesem Schreibtisch stand, zappelte ungeduldig vor sich hin. Thompson blickte auf die Visitenkarte, auf der zu lesen stand: „Edward Farnsworth,
Internationale Shows. Agent“ und kraulte die Ohren seiner riesigen Siamkatze, die auf seinem Schoß saß. Die Katze blickte auf mit trägen blauen Augen, registrierte Farnsworth mit einem besonders gleichgültigen Blick, streckte sich, gähnte, und schloss die Augen wieder. Es war offensichtlich, dass der große braungebrannte Besucher eine Angelegenheit von vollkommener Unwichtigkeit war.
Nehmen Sie Cato hier“, fuhr Thompson fort. „Er ist ein besonders schönes Exemplar seiner Spezies. Haben Sie jemals etwas Ähnliches besessen wie ihn?“
Ja, einmal“, antwortete Farnsworth. „Als ich auf der Venus war. Aber ich sehe nicht recht, was das mit meinem Anliegen zu tun hat. Alles, was ich will, ist eine einfache Antwort. Bekomme ich die Erlaubnis zur Einfuhr von einem Paar venusianischer Horgels oder nicht?“
Nicht.“ sagte Thompson knapp.
Das ist jetzt das vierte Mal“, seufzte Farnsworth. Ich schätze, dann werde ich mich an eine höhere Institution wenden müssen.“
Es gibt keine höhere Institution, Freundchen. Hier ist das Ende der Fahnenstange.“
Ihr Bürokraten!“ Farnsworths Stimme war erfüllt von schlecht unterdrückter Wut. „Ihr sitzt hier hinter dem Schreibtisch und spielt Gott! Erzählt arbeitenden Leuten, was sie dürfen und was sie nicht dürfen, als ob ihr die Weisheit mit Löffeln gefressen hättet! Ihr gebt keinen Pfifferling drauf, dass eure dämlichen Entscheidungen Menschen ruinieren können. Warum in aller Welt wollen Sie nicht erlauben, dass so etwas Süßes und Cleveres wie die Horgels zur Erde gebracht werden? Sie sind völlig harmlos! Und sie selbst sind auch nicht in Gefahr – sie kommen perfekt in terrestrischer Umgebung klar. Und sie würden unsere Show vor dem Bankrott retten. Das Publikum würde sie einfach anbeten, wenn man ihnen eine Chance gäbe!“
Ja, ich schätze, das stimmt“, seufzte Thompson. „Aber ich bezweifle, dass sie jemals eine Gelegenheit dazu bekommen werden. Horgels haben Einfuhrverbot.“ Es lag eine Spur von Erbitterung in seiner Stimme.
Katzen mögen sie nicht!“ ergänzte er ominös.
Was hat das denn jetzt damit zu tun?“
Ich wiederhole meine Frage – hatten Sie jemals eine Katze?“
Und ich wiederhole meine Antwort, Sir: Ja, hatte ich. Sie wissen genau wie ich, dass Katzen Vorschrift sind, wenn man sich auf der Venus aufhält, weiß Gott, warum. Es gibt da drüben jetzt Millionen von Katzen, und einen Mann dazu zu zwingen, mit einer Siamkatze an der Leine herumzuspazieren, wann immer er aus dem Haus geht, scheint mir ziemlich schrullig!“
Sie sind genau wie alle andern“, seufzte Thompson. „Sie werfen Worte und Fakten hoffnungslos durcheinander. Sie haben niemals in Ihrem Leben eine Katze besessen, Sie ...“
Aber...“
Sie dachten nur, Sie hätten eine!“ beendete Thompson seinen Satz freundlich.
Ich hab Papiere, die es beweisen!“
Na und? Hat eine Katze Ihnen jemals gehorcht, wenn Sie ihr etwas befahlen? Hat sie jemals ihre Bequemlichkeit geopfert, um Ihnen gefällig zu sein? Hat sie irgendeine ihrer Gewohnheiten geändert, um Ihnen entgegenzukommen?“
Farnsworth schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht behaupten, dass sie das gemacht hätte,“ gab er zu. „Ist 'ne widerliche egoistische Brut. Ich hasse Katzen.“
Aber Sie lieben Horgels.“
Oh ja! Bin ganz verrückt nach ihnen. Sie sind süß, und clever, und liebenswert.“
Hm. Ja, sind sind sie. Genau da liegt das Problem. Sie sind zu süß, zu clever, zu liebenswert.“
Sowas ist unmöglich!“
Ach wirklich? Sagen Sie mal – wie lange waren Sie in der Nähe dieser Horgels?“
Ein paar Tage vielleicht. So eine Farmer-Sumpfratte auf der Venus besaß welche. Hielt sie in einem Käfig. Hat sie nie berührt. Er ließ sie von einem Eingeborenen füttern. Die armen kleinen Dinger waren völlig verstört. Ich glaube, sie waren noch nie vorher in einem Käfig gewesen, und ich verstehe auch nicht, was sie da drin zu suchen hatten. Das sind die wuschelweichsten, allerschnuckligsten Dinger. Sie würden perfekte Haustiere abgeben.“
Zweifellos würden sie das“, sagte Thompson. „Gutgut, dann ist ja kein Schaden entstanden. Ach, ganz nebenbei: Haben Sie irgendwelche Katzen in der Gegend gesehen?“
Bei den Horgels? Nee. Außer meiner eigenen natürlich. Aber gehört hab ich sie. Jaulten die ganze Nacht, die Mistviecher.“
Gut. Ein Problem weniger. Ich dachte schon, ich müsste Sie fragen, wo dieser Händler genau lebt. Jaja, ich weiß, Sie würden's mir nicht sagen.“
Thompson strahlte ihn freundlich über seine Brillengläser hinweg an.
Die Katzen werden sich drum kümmern. Ist nur eine Frage der Zeit.“
Sie meinen – sie bringen diese kleinen Dinger um, die keiner Fliege was zuleide tun?“
Klar! Das ist eine Frage des Überlebens und der stärkeren Spezies.“ Etwas Stahlhartes schwang in Thompsons Stimme mit. „Katzen sind große Freunde direkten Handelns. Jetzt setzen Sie sich endlich hin, junger Mann, und ich erzähle Ihnen, warum Sie niemals eine Einfuhrerlaubnis von dieser Behörde hier bekommen werden, und warum Ihnen nie wieder gestattet werden wird, die Venus zu besuchen.“
Das – das können Sie doch nicht machen!“
Ich habs schon gemacht,“ antwortete Thompson sanft. „Ich habe die Reiseerlaubnis annulliert, bevor ich Sie auch nur gesehen habe.“
Sie haben -was ??“
Sie haben mich gehört, Freundchen. Die Venus ist dicht für Sie.“
Aber warum?“
Setzen Sie sich hin, und ich erzähls Ihnen!“
Farmsworth babbelte verstört vor sich hin, aber er gehorchte. Auf jeden Fall, überlegte er bitter, würde er so wenigstens etwas aus diesem äußerst unbefriedigenden Gespräch herausholen.

II

Sehr schön!“ freute sich Thompson. „Es geht doch nichts über eine schöne lehrreiche Lektion. Und die erste Tatsache, die diese Lektion enthält, wird Sie überraschen: Ich war nicht immer ein Bürokrat. Einst war ich Biotechniker im Space Service und ein Mitglied der ersten Venusexpedition. Wir waren fünf an Bord der „Venus I“. Archie Slezak, der Pilot, Ed Smith, der Navigator, Mitsui Watanabe, der Ingenieur, und ich. Und natürlich Katy, die Schiffskatze.
Sie war natürlich kein eingetragenes Crewmitglied, eine riesiges, schwarzes, kurzhaariges Biest zweifelhafter Abstammung. Bei ihrer Größe würde ich sagen, da war irgendwo mal eine Wildkatze in ihrem Stammbaum, doch abgesehen von der Tatsache, dass sie aussah wie ein schwarzer Panther, war sie anhänglich genug auf ihre Art – und wir alle kamen ganz gut klar mit ihr. Alle außer Watanabe. Der liebte sie. Ich glaube sogar, dass er es war, der sie an Bord schmuggelte, bevor wir starteten, auch wenn er es niemals zugab. Er war ein Haustier-Fan. Bloß dass sie ihn eigentlich nie groß beachtete. Meistens streunte sie irgendwo in den dunklen Winkeln des Schiffs herum, nachdem der Beschleunigungsdruck nicht mehr zu spüren war.
Natürlich hatten wir ein bisschen künstliche Schwerkraft, aber die betrug nur etwa ein Achtel der Erdschwerkraft, grade genug, um mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben. Katy liebte das. Es war kein Problem für sie, sechs Meter durch den Kontrollraum zu springen und dann auf jemandes Schultern zu landen, so leicht, dass wir sie kaum spürten. Sie hatte ein unglaubliches Gefühl für die richtige Distanz, und konnte uns mit ihren Clownerien stundenlang bei Laune halten.
Für 'ne Katze war sie liebenswert genug, bloß ich traute ihr eigentlich nie so richtig. Da war zu viel Wildkatze in ihr“ - er bückte sich, kraulte Catos Ohren und schmunzelte, als der dicke Kater ihm leise auf Siamesisch Liebesworte zuraunte.
Aber was...,“ begann Farnsworth.
Nur Geduld, ich erzähls ja. Wie ich schon sagte, wir alle dachten, sie sei amüsant, aber nutzlos - bis zu dem Tag, als sie zu uns mit einer toten Ratte im Maul hereingeschwebt kam. Er war eine schwangere, vollgestopft mit Jungen, und ich kann Ihnen sagen, das hat uns einen Riesenschrecken eingejagt!
Ratten und Raumschiffe – sehr ungemütliche Kombination. Ratten gebären schnell und mutieren leicht durch die atomare Triebwerksstrahlung. Und wenn sie erstmal drin sind im Schiff, sind sie extrem schwer zu kontrollieren. Besonders fies wird’s, wenn eine intelligente Mutation auftaucht. Aber Katy stoppte diese Bedrohung, bevor sie begann.
Wir stiegen in unsere Raumanzüge und ließen die Luft aus dem Schiff. Nicht mal Ratten können im Vakuum leben, und wir ließen das Schiff lang genug offen, um sicherzustellen, dass auch das letzte bisschen Sauerstoff aus den Fiberglas-Isolierungszwischenräumen im Rumpf verschwunden war. Glücklicherweise war nicht einer unserer unerwünschten Gäste lange genug der Strahlung ausgesetzt, um irgendwelche Mutationen zu entwickeln, und so gelang und eine vollständige Ausrottung. Wanatabe hatte eine Art Drucktank für Katy gebastelt, und während des Blowdowns saß sie selbstherrlich drin wie eine königliche Witwe, während wir die Ratten erledigten.
Danach war Katy eine Heldin. Und sie nutzte es gründlich aus! Es war fast so, als ob sie wusste, dass sie nun einen privilegierten Status erreicht hatte. Sie kommandierte uns herum und starrte uns fordernd an, so dass wir aufsprangen, falls wir auf einem ihrer Lieblingsplätze saßen. Sie war nicht besonders nett in dieser Hinsicht, und wenn Sie je von eine Mieze rumgescheucht wurden, wissen Sie, was ich meine.
Sie wollte verhätschelt werden, allerdings zu ihren eigenen Bedingungen und Zeiten, und ich kann Ihnen sagen – sie suchte sich die miesesten Zeiten aus. Wann immer Smitty mit Berechnungen beschäftigt war, setzte sich das Vieh auf seine Blätter, Schwanz hochgereckt, mit bildschönem Buckel und einem Schnurren so laut wie eine Dynamomaschine. Unweigerlich würde sie, wenn ich die Algentanks auf ihr ökologisches Gleichgewicht hin überprüfte, garantiert versuchen, die Ökologie durcheinander zu bringen. Und in jedem Fall, in dem sich Mitsui den Maschinen widmen wollte, konnten Sie drauf wetten, dass er sich vorher der Katze widmen musste.
Sie war eine Pest.
Doch dem armen Slezak ergings am übelsten von uns allen. Aus irgendeinem unbekannten Grund liebte Katy ihn – und Archie hasste Katzen! Sie pflegte um ihn herumzustreichen und Liebenswürdigkeiten auf kätzisch zu gurren, um dann knochenlos wie ein nasser Sack in seinen Schoß zu plumsen und zu schlafen.
Könnte sein, dass Archies Körpertemperatur was damit zu tun hatte; er war immer ein bisschen mehr aufgeheizt als wir es waren. Aber Archie pflegte zu sagen, dass sie ihn absichtlich ausgesucht hatte aus schierer Bosheit – tja, und da konnte ich ihm eigentlich nicht widersprechen.

III

Wir verbrachten zwei Monate im Trägheitsmodus – damit meine ich nicht, dass wir nichts taten, sondern dass das Schiff ohne zusätzlichen Antrieb mit seinem Startschub dahinflog – und dann leiteten wir den Bremsvorgang ein. Nachdem die Flugbahn genau justiert war, drehten wir uns in Richtung Venus, schalteten die Treibwerke hoch, und den Rest besorgte der Planet. Dann tauchten wir ein in den Ionengürtel und drehten ein paar Runden um die Venus, und die Moleküle der oberen Schichten verlangsamten unsren Schwung, ohne uns allzusehr aufzuheizen. Gleichzeitig erlaubten die Entschleunigungsrunden uns, einen Blick auf die Welt unter uns zu werfen.
Wir checkten die Atmosphäre. Die Oberschicht bestand hauptsächlich aus Kohlendioxid und Formaldehyd, genau so, wie die Astronomie-Jungs es vorhergesagt hatten. Doch das Zeug war weder dick noch wolkig. Die Wolken waren alle weit unten, nahe der Oberfläche. Wie Sie ja wissen, hat Venus eine Schwergas-basierte Atmosphäre, doch der Sauerstoffanteil war hoch; hoch genug jedenfalls, um atmen zu können, wenn Sie damit leben konnten, daß es überall roch wie im Leichenschauhaus. [Formaldehyd wird zum Einbalsamieren von Leichen verwendet. Anm. d. Übers.]
Unsere Anweisungen lauteten zu landen, wenn es irgendwie möglich war, und so machte Slezak alles an Bord bereit fürs Runterkommen. Wir kamen auch gut runter, und setzten auf einem dieser flachen Hügel auf, die aus dem Sumpf herausragen. Viel war natürlich nicht zu sehen. Venus war ein herrlich beschissener Ort mit diesem ständigen Regen und dem Duft eines viertklassigen Beerdigungsinstituts. Aber das brauche ich Ihnen ja nicht zu sagen. Sie wissen ja selbst, wie es ist. Sie waren ja da.“
Hat sich nicht sehr verbessert“, gestand Farnsworth.
Jede Verbesserung auf der Venus wäre ein Segen“, fuhr Thompson fort.
Wie auch immer, wie taten das Übliche, rammten die Fahne in den Boden und nahmen den Planeten in Besitz, und während Slezak und ich im Schiff blieben um aufzupassen, zogen Smitty und Watanabe los auf Entdeckungstour. Wir zogen Streichhölzer. Slezak und ich hatten gewonnen.
Aber auch wir blieben nicht im Schiff, sondern strichen in der Nähe rum und drehten ein paar Runden, um uns die Beine zu vertreten. Unsere Expedition war nicht dafür ausgerüstet, große Forschungsausflüge zu unternehmen, aber wir mussten schließlich ein bisschen was machen, um unserer Eroberung einen Anstrich von Legalität zu geben. Die wirkliche Arbeit kam später, wenn die Jungs zu Hause unsere Daten auszuwerten begannen. Aber zumindest hatten wir die Ehre, die ersten Menschen zu sein, die den Fuß auf die Venus setzten.“ Thompson hustete entsetzlich und lächelte, als der Anfall vorüber war. „Schon die Erinnerung macht mich krank!“ erklärte er. „Ich konnte Formaldehyd nie ausstehen. Meine Lungen haben den Zustand ihrer Einbalsamierung inzwischen überwunden, aber mein Gedächtnis... schon an die Venus zu denken verursacht mir Hustenreiz.
Es dauerte etwa ne Stunde, bis Smitty und Mitsui zurückkamen. Mitsui hatte einen Horgel in seinen Armen. Wie gesagt, er war vorher schon ein großer Haustier-Fan gewesen, aber diesmal, dachten wir alle, hatte er wirklich den Hauptgewinn gezogen. Niemand von uns hatte je zuvor einen Horgel gesehen, und das Vieh sah so unschuldig und schnucklig aus, dass wir alle sofort hin und weg waren.
Mit seinem rosa Fell und den violetten Augen sah es einer Kinderpuppe verblüffend ähnlich – ein winziger Teddy-Bär mit Knopfnase, schwarzen, händeähnlichen Pfoten und einem Ausdruck äußersten Vertrauens auf seinem spitz zulaufenden Gesichtchen. Aber das allein erklärte noch nicht seine Ausstrahlung. Ich schätze, in jedem Mann steckt ein Funken Mütterlichkeit. Denn dieses verdammte Ding rührte daran – es rührte an etwas, das man nicht anders als den 'mütterlichen' Instinkt bezeichnen kann. Es lässt sich nicht anders beschreiben.
Das Ding machte uns alle butterweich, und jeder von uns wollte es unbedingt halten und beschützen.“
Ich weiß“, sagte Farnsworth. „Hab so ein Ding selbst auf dem Arm gehabt.“
Mitsui hatte sich vollständig in das Wesen verknallt. Sie wissen ja, wie emotional diese Japaner sein können. Er wiegte und schaukelte es in seinen Armen und flüsterte ihm süße Worte in die kleinen Muschelöhrchen- und es gurrte zu ihm zurück! Eigentlich hätte mich dieses Getue anwidern sollen – aber ich wollte nichts anderes, als es genauso machen – ich sehnte mich so danach, dass es wehtat! Ich wollte die Weichheit seines Fells fühlen, mit ihm schmusen und es knuddeln. Ich wollte es, wie man eine Frau will. Smitty war grün vor Eifersucht – und sogar Slezak sah interessiert aus. Wir alle benahmen uns ein wenig sonderbar. Aber ich denke, damals erschien uns das alles ziemlich angemessen.
Katy reagierte allerdings nicht so, wie wir dachten. Sie kam zum Haupteingang heraus, stolzierte deliziös herum, als liefe sie auf rohen Eiern und hätte Angst sie zu zerbrechen – aber in dem Moment, als sie den kleinen rosa Flauschball in Watanabes Armen sah, änderte sich ihr Gehabe blitzartig. Sie machte einen Buckel, und ihr Schwaz sah aus wie eine Flaschenbürste! Sie ließ ein hassvolles Gejaule ertönen und griff Mitsui völlig überraschend an. Sie schlug ihre Krallen in seine Kleidung, kletterte an ihm hoch und kroch auf den Horgel zu, wütend fauchend und erfüllt von unsäglicher Raserei!
Der Horgel schrie nur einmal auf. Er klang so sehr wie ein verletztes Baby, dass wir vor Schreck für einen Moment völlig paralysiert waren. Und während wir so dastanden, sprang er aus Mitsuis Armen und rannte unbeholfen über die verkohlte Landeebene auf den 40 Meter entfernten Dschungel zu. Er sollte ihn nie erreichen. Katy war hinter ihm her wie der Blitz. Sie erwischte ihn nach 15 Metern, und zu dem Zeitpunkt, als wir die Szene erreichten, hatte sie ihn schon rasch und vollständig zerlegt.
Wissen Sie, ich habe Katzen oft töten sehen, und es schien mir stets, als ginge es ihnen vor allem um den Spaß dabei. Katzen scheinen immer aus sportlichen Gründen zu töten, als wäre es ihr liebstes Hobby.
Doch diesmal war nichts Sportliches an Katy. Sie packte diesen Horgel einfach und riss ihn in kleine Fetzen.
Mitsuis Herz war gebrochen. So wie er sich benahm, hätte man glatt denken können, Katy hätte seinen kleinen Bruder gekillt. 'Ich habe das kleine Ding geliebt!' schluchzte er. 'Ich werde niemals wieder so etwas Vertrauensseliges und Liebevolles finden! Oh, diese verdammte dreckige Mistkatze!'
Etwas an dieser Klagearie ließ mich aufhorchen. Mitsui war bisher immer derjenige gewesen, der Katy bei allem verteidigt hatte. Er mochte sie unheimlich gern und verschwendete dreimal soviel Zuneigung an sie wie alle andern. Aber nun hätte er sie mit Freude getötet. Katy ihrerseits schien zu spüren, wie er sich fühlte, denn sie trat einen schnellen Rückzug zum Raumschiff an und versteckte sich dort in einer dieser dunklen Ecken, die sie so gut kannte, während Mitsiu auf der Suche nach ihr das Schiff durchstreifte und auf japanisch die Flüche ganzer Generationen auf ihr mörderisches Haupt beschwor.
Katy ignorierte ihn natürlich.
Allmählich kochte Mitsui nach einer Stunde oder so wieder runter, aber er verbrachte den Rest des Abends damit, eine stabile Box mit verschließbarer Klappe zu bauen.
'Ist nicht so, dass ich Katy nicht mag' entschuldigte er sich, 'aber ich liebte das kleine Ding.'
Er wartete geduldig, bis Katy aus ihrem Versteck kam, schaufelte sie hoch und stopfte ihren überraschten Körper in die Box. 'Da bleibst du drin, bis du gelernt hast, dich zu benehmen', knurrte er grimmig. Dann, ohne ein weiteres Wort zu sagen, ging er raus, um ne halbe Stunde später mit einem neuen rosa Viech wiederzukommen, genauso eins wie das, das wir verloren hatten. Er grinste von einem Ohr zum andern. 'Dahinten ist eine Art Dorf', sagte er, in Richtig Ausgangsportal zeigend, 'und von diesen Dingern gibt’s da so viel wie Flöhe auf 'nem Hunderücken. Die Eingeborenen halten sie als Haustiere.'
Und so hatte Mitsui als erster Mensch ganz nebenbei die dominierende Intelligenz auf der Venus entdeckt. Aber das war uns ziemlich schnurz. Wir wollten nichts weiter als eine von diesen entzückenden Kreaturen für uns allein. Und dieses Mal zogen wir keine Strohhalme. Wir gingen alle zusammen los und ließen eine schäumende Katy einsam zurück in ihrer Box.

IV

Das Dorf war eine Ansammlung elender Hütten, vollgestopft mit humanoiden Eingeborenen. Sie kennen sie ja, dumme, apathische Primitive, die einem auf Schritt und Tritt folgen – entweder um zu betteln oder zu stehlen. Wie mir zu Ohren gekommen ist, sollen sie sich nicht sehr verändert haben.
Der einzige Unterschied zu heute war, dass dieses Dorf geradezu überschwemmt war mit Horgels. Sie tauchten überall auf und wuselten furchtlos durch die Siedlung, so als wären sie eine Meute von Schoßhunden.
Soweit wir das beurteilen konnten, waren die Eingeborenen ein harmloser Haufen. Was wir in Erfahrung bringen konnten, lief darauf hinaus, dass sie ihre Zeit totschlugen, indem die fischten und sich um ihre Haustiere und Kinder kümmerten. Die Art, wie sie diese rosa Flauschbälle verhätschelten, war frappierend. Ich habe sogar stillende Mütter gesehen, die sie an derselben Brust säugten wie ihre Kinder! Diese Horgels schienen alle anderen Wesen zu einem gigantischen Ausbruch von vollkommener Liebe und Zärtlichkeit zu inspirieren.
Die Ureinwohner protestierten nicht, als sich jeder von uns einen Horgel vom Boden aufschaufelte und in seinen Armen wog. Es gab jede Menge davon, und sie schienen Gemeinbesitz zu sein. Die Horgels mochten uns anscheinend ebenso gern wie wir sie, denn im Handumdrehen benahmen wir uns trotz unseres Raumfahrer-Berufs alle wie kleine Kinder. Sie hatten einen von ihnen in den Händen, Sie wissen, wie man sich fühlt.“
Farnswoth nickte. „Sie sind umwerfend“, schwärmte er. „Ich habe nie wieder so etwas gefühlt wie damals, als ich sie im Arm hielt. Es gibt keinen Ausdruck dafür.“
Genauso ist es, Freundchen. Wahre Liebe!“ säuselte Thompson mit sanfter Stimme, um dann zynisch zu werden. „Jedenfalls schleppten wir sie natürlich mit ins Schiff, und Katy drehte völlig durch in ihrer Box. Sie fluchte, fauchte, schrie, spuckte und kratzte, bis sie völlig erschöpft war – dann lag sie auf dem Boden der Box und knurrte uns an. Es war kein schönes Geräusch, aber es brachte ihr nichts. Die Box hätte auch einen Lux ausgehalten. Wir hörten gar nicht hin.
Wir waren fasziniert von den Horgels. Sie waren wundervoll: Wuschlig, clever, anhänglich und auch noch intelligent! Mitsui brachte seinem innerhalb von Minuten bei, „Sitz“ zu machen, und daraufhin verbrachten wir Stunden damit, ihre Fähigkeiten zu erforschen.
Sie konnten fast alles außer reden – und selbst da waren sie nahe dran. Sie schienen instinktiv zu wissen, was wir wollten – und was uns am meisten gefiel. Und dann taten sie genau das.
Wir hatten nie wieder im Leben so viel Spaß wie dabei, den Mätzchen und Possen unserer neuen Haustiere zuzusehen. Sie waren die geborenen Komödianten, und brachten uns ganze Nächte lang zum Lachen. Das war eine glückliche Zeit für alle von uns. Und wenn wir schließlich ins Bett gingen, hatte jeder seinen Horgel im Arm.
Und niemand dachte daran, Katy zu füttern!
Es wär aber vermutlich auch nicht viel dabei rausgekommen, wenn wirs getan hätten, denn sie war so durchgedreht, dass sie jedes Futter verschmäht hätte. Und ihr Zustand wurde nicht besser. Allerdings vergaßen wir sie nicht ganz – nach etwa einem Tag gaben wir ihr Futter und ließen sie allein. Wenn sie fressen wollte – o.k. Ansonsten kümmerten wir uns nicht im sie. Tja, sie war eine Katze – also war sie vernünftig – und so fraß sie. Doch sie hatte für diese Freundlichkeit von uns nicht viel Dankbarkeit oder gar Zuneigung übrig. Sie zog sich lediglich in die hinterste Ecke ihrer Box zurück und fauchte uns an.
Wir verbrachten noch mehrere Tage auf der Insel im Sumpf, fanden aber nicht Interessantes außer den Eingeborenen und den Horgels. Wir machten Fotos und Notizen und gaben uns verzweifelte Mühe, wenigsten etwas von der absolut unverständlichen Sprache der Einwohner zu verstehen. Das Einzige, was wir aus ihnen herausholen konnten, war der Name der rosa Kreaturen, und dass jeder sie liebte.
Natürlich mussten wir früher aufbrechen, als uns lieb war, doch Venus war dabei, die Konjunktion zu verlassen, und wenn wir zu lange warteten, würde unser Tankvorrat nicht bis zurück zur Erde reichen. So verstauten wir unsere Horgels und uns selbst im Schiff, dampften ab in Richtung Erde und sagten dem Formaldehyd-Gestank der Venusluft Lebewohl.

V

Wir waren etwa eine Woche unterwegs und hatten unsere Höchstgeschwindigkeit erreicht, als es passierte. Irgendwie gelang es Katy, ihr Gefängnis zu öffnen und zu entkommen. Das erste, das ich von ihr mitbekam, war, dass sie meinen Horgel umbrachte. Sie zerbiss sein Rückgrat, als es schlafend in meinem Bett lag. Sie hatte sich so leise angeschlichen, dass ich überhaupt nicht wusste, wie mir geschah, bis ich erwachte und meinen süßen kleinen Flauscheball kalt und steif in meiner Armbeuge fand.
Ich hielt danach die ganze Zeit nach der Katze Ausschau, jede freie Minute, die ich erübrigen konnte. Um sie zu töten. Meinen Horgel zu verlieren war wie ein Kind zu verlieren! Ich war untröstlich – und ich verzehrte mich vor Neid über meine glücklicheren Crewmitglieder. Ihre Horgels waren noch am Leben, und meiner war tot! Und die Kameraden waren absolut eigensüchtig! Sie mussten wissen, wie ich mich fühlte, aber sie dachten gar nicht daran, ihre Horgels auch nur für eine Minute mit mir zu teilen. Ich kam mir vor wie ein Single auf einer einsamen Insel, die ausschließlich mit glücklichen und zufriedenen Paaren bevölkert ist. Ich war außen vor – und todunglücklich!
Es war schon seltsam, wie die Horgels plötzlich zum Symbol wurden für all die attraktiven Frauen, die ich begehrt und nie bekommen hatte. Neben dem Verlust meines Lieblings war es die Gleichgültigkeit meiner Schiffskameraden, die meinen Schmerz noch unerträglicher machte, als er sonst schon gewesen wäre. Ich war schlimm dran. Zunächst war ich nur verletzt und deprimiert, doch nach und nach fing ich an, die andern für ihr Glück zu hassen. Ich hasste sie für ihre Selbstsucht, ihr mangelndes Einfühlungsvermögen. Und schließlich dachte ich an Mord.
Welches Recht hatten diese anderen, Horgels zu besitzen, wenn ich keinen hatte? Ich grübelte finster darüber nach, während wir erdwärts rasten. Ich verfluchte sie dafür, dass sie all die Freuden liebevoller Gesellschaft genossen, während ich allein in der Kälte saß. Und während ich so darüber nachdachte, kam mir in den Sinn, dass Smitty derjenige von uns war, den wir am leichtesten entbehren konnten. Ich lauerte ihm in einem Gang auf und zertrümmerte ihm beinahe den Schädel mit einem Schraubenschlüssel. Er sackte zu Boden, Blut schoss aus seinem Kopf, doch ich verschwendete keinen Gedanken an ihn, bevor ich seinen Horgel hatte. Sobald ich den rosa Flascheball in meinen Armen lielt, tat er mir leid. Ich schleppte ihn zu seiner Liege und verband seine Verletzung, so gut ich konnte. Den Horgel gab ich natürlich nicht zurück.
Seltsamerweise schienen die andern über meine Untat nicht im mindesten schockiert zu sein. Solange es wegen eines Horgels war, und natürlich nicht wegen ihres Horgels, schien für sie alles in Ordnung. Doch nachdem sich Smitty etwas erholt hatte, begann ich zu fürchten, er könne versuchen, sich das Tier zurückzuholen. Und das, schwor ich mir grimmig, würde nie passieren. Das Exemplar, das ich gestohlen hatte, war mir ebenso teuer wie das, was ich verloren hatte – ich hätte nichts in der Welt dafür eingetauscht. Es war meine ganze Freude, und ich wachte wie ein Schießhund darüber, dass ihm nichts zustieß.
Ich konnte Katy und ihren Hass auf die kleinen Viecher nicht vergessen. Und die Katze lief immer noch frei rum, streifte irgendwo durchs Schiff auf der Suche nach Horgels, die sie töten konnte. Allerdings suchte ich nicht nach ihr. Ich ging keinerlei Risiko ein, meinen Liebling zu verlieren. Stattdessen hielt ich mich an Orten auf, die mir sicher schienen – und schleppte den Schraubenschlüssel, mit dem ich Smitty beinahe erschlagen hatte, immer mit mir herum. Und nicht nur wegen Katy.
Das war allerdings ziemliche Energieverschwendung. Als die Tage vergingen und Katy nirgendwo auftauchte, ließ unsere Wachsamkeit nach. Außerdem wollten die Horgels auch nicht ununterbrochen herumgeschleppt werden. Sie waren aktive kleine Dinger, die gerne rumtollten.
Und so gaben wir allmählich nach und erlaubten ihnen, im Kontrollzentrum herumzulaufen. Nach gründlicher Durchsuchung des Raums, versteht sich. Hier pflegten sie zu spielen und miteinander zu toben, während wir sie sorgsam und habgierig im Auge behielten. Smitty betrachtete sie von seiner Liege aus, wo er mit bandagiertem Kopf lag – und sein Blick bekam einen mörderischen Ausdruck, wenn er auf mich fiel. Ich wusste nur zu gut, was ihm durch den Sinn ging, und bis zu einem gewissen Grad hatte ich Mitgefühl mit ihm. Doch ein Haustier wie ein Horgel war den Hass aller Smittys dieser Welt wert. Ich fühlte mich super. Ich hatte einen Horgel und er nicht.
Und dann schlug Katy zu! Sie musste mit teuflischer Geduld auf ihre Gelegenheit gewartet haben, denn als Mitsui die Tür öffnete, um nach den Triebwerken zu sehen, huschte sie hinein.
Ein Hieb mit ihrer Tatze legte die Gedärme der fragilen kleinen Kreatur frei, die ihr am nächsten war. Sie schnappte sich ein weiteres Tier und galoppierte damit durch die Tür und das Schiff mit diesen langen eleganten Sprüngen, die sie während unserer Weltraumreise so perfektioniert hatte. Das alles passierte derart schnell, dass weder Slezak noch ich die Zeit fanden einzugreifen. Mitzui hatte nur die Gelegenheit zu einem erschrockenen Fluch, als Katy mit dem herzzerreißend schreienden Horgel den Gang hinunterfegte. Das Gekreisch erstarb zu einem erstickten Wimmern, als sie verschwand.
Wir fanden den zerrissenen rosa Körper ein paar Minuten später im Triebwerksraum. Aber keine Spur von Katy.
Jetzt gabs also statt vier Männern und drei Horgels nur noch einen Horgel und vier Kerle.
Slezak und ich hielten es eine Woche aus, bevor wir eine aus Not und Verzweiflung geborene Vereinbarung trafen. Wir würden Mitsui den letzten Horgel wegnehmen und ihn zwischen uns teilen. Wenn wir gezwungen waren, Mitsui umzubringen, um das Tier zu bekommen, nun, so war das eben Pech für ihn.
Wir schüttelten uns die Hände, um den Packt zu besiegeln, aber ich wusste nach einem Blick in seine Augen, dass er nicht daran dachte, sich an die Abmachung zu halten. Und ich hatte keine Lust mehr auf gebrochene Versprechen. Also beschloss ich, ihn zu töten, nachdem wir mit Mitsui fertig waren. Dann würde ich Smitty endgültig eliminieren und hätte die entzückende Kreatur ganz für mich allein ohne lästige Konkurrenz, die meine Freude trüben könnte. Und ich würde Katy keine weitere Chance geben.
All das war perfekt und logisch durchdacht. Schließlich gab es nur einen Horgel, und er sollte demjenigen gehören, der am besten auf ihn aufpassen konnte. Ich war zweifellos derjenige welche – nachdem ich schon zwei verloren hatte, war ich erfahrener als die anderen und der Gefahren voll bewusst, die von der Katze ausgingen.
Aber es war schwierig, Mitsui in einem unaufmerksamen Moment abzupassen. Er stolzierte mit dem Horgel unter seiner Jacke herum – und einer geladenen Pistole in der Tasche. Anscheinend hatte er die Kanone trotz des strengen Verbots privater Waffen mit eingeschmuggelt. Er sagte, es sei wegen Katy, aber Slezak und ich wussten es besser. Wir wussten, dass die Waffe für uns bestimmt war, wenn wir versuchen würden, ihm den Horgel abzunehmen. Das ließ uns sehr vorsichtig sein.
So sehr wir das liebenswerte kleine Wesen haben wollten, mit dem Leben bezahlen wollten wir dafür nicht.
Es brachte auch nichts, Gewehre zu tragen. Sie waren nur für den Außengebrauch – selbst wenn wir ihren Rückstoß bei einem Achtel Erdschwerkraft hätten händeln können, wären sie doch in den beengten Eingeweiden des Schiffes viel zu unhandlich gewesen.
Es war eine schräge Situation – und sie hätte durchaus ihre komischen Seiten gehabt – ohne ihre tödlichen Untertöne. Smitty erholte sich bald so weit, dass er wieder rumlaufen konnte, und natürlich fraternisierte er mit uns zwei Habenichtsen. Er war noch ziemlich schwach, aber jede Hilfe stärkte unsere Sache und schwächte Mitzuis. Trotzdem war ich mir immer der unheilsschwangeren Blicke bewusst, mit denen er mich betrachtete.
Ich musste Smitty endgültig loswerden, nachdem wir Mitsui losgeworden waren, sonst würde er sich mit Slezak zusammenraufen, um mich zu killen. Ich erwischte die beiden eins-, zweimal dabei, wie sie heimlich miteinander flüsterten, und ihre schuldbewussten Blicke waren Beweis genug für ihre düsteren Absichten. Doch niemand von uns wagte es, Mitsuis Kanone zu trotzen.
So lagen die Dinge für fast eine Woche. Wir hatten schon die ersten Ausläufer der Erdatmosphäre erreicht, und Mitsui war mit den Maschinen beschäftigt, als wir unseren Coup starteten. Ich sprang ihn von hinten an, wären Slezak und Smith in von den Seiten angingen.
Aber ich hatte vergessen, dass der Japaner sich genauso mit Jiu Jitsu auskannte wie wir mit Boxen. Er bückte sich – und ich flog plötzlich über seinen Kopf. Ich landete mit einem Plumps auf dem Boden, der mir den Atem aus dem Leib trieb. Ich war gelähmt vor Schmerzen und ganz benommen vom Schock, doch ich sah mit Befriedigung, dass Slezak seine Pistole erwischt hatte.
Doch Mitsui war noch nicht fertig mit uns. Er behandelte Smith mit einem Judogriff, der ihm fast den Kopf von den Schultern gerissen hätte und wandte sich dann Slezak zu – eine gedrungene eisenharte Furie mit tödlichen Händen. Slezak hatte nicht mal Zeit, die Waffe zu heben.
Doch der Kampf hatte Mitsuis Jacke aufgerissen, und der Horgel fiel aus den zerschlissenen Fetzen. Mit einem entsetzten Aufheulen bückte sich Mitsui, um das rosa Fell-Geschöpf aufzuheben. Slezak rammte ihm krachend den Griff der Kanone auf den Hinterkopf, bevor jemand von uns begriff, was den Japaner so laut hatte aufschreien lassen. Katy sprang hinter einem Maschinengehäuse hervor, entriss den Horgel aus Archies zuschnappenden Händen und killte das Wesen mit einem einzigen Biss!
Ohne Slezaks Verzweiflungsschrei auch nur im Geringsten zu beachten, zerkratzte und zerschlitzte sie das Ding zu blutigen Streifen, machte dann einen Buckel und fauchte uns an, als wollte sie sagen: 'Tja, jetzt habe das letzte kleine Monster gekillt – was wollt ihr dagegen tun?'
Slezak beugte ich hinab und nahm die Katze fast zärtlich hoch, drehte sich um – und schmetterte ihren Kopf gegen die Bordwand mit einer Wucht, die ein Pferd getötet hätte. Dann fiel er auf die Knie, sammelte die blutigen Fetzen des Horgels auf und weinte wie ein Baby.
Irgendwie bekamen wir es hin, das Schiff zu landen, und als das Empfangskomitee uns begrüßte, verwandelten sich dessen Beglückwünschungen in schreckenvolles Starren. Natürlich fanden sie raus, was passiert war, und sie schickten bei der nächsten Expedition keine Forscher hoch, sondern Katzen, ein paar hundert Stück. Das Schiff registrierte die genaue Landungsposition, ließ die Katzen raus und kam zurück. Erst danach sandten sie neue Forschungteams hin. Und so verfahren sie bis heute. Seit etwa 50 Jahren versuchten sie nun den Planeten zu „desinfizieren“ - offensichtlich ist ihnen das nicht ganz gelungen.“
Waren Sie nochmal auf der Venus, um nachzusehen, was die Katzen angestellt haben?“ fragte Farnsworth.
Thompson schüttelte seinen Kopf. „Nein“, gab er zu, „ich bin nie zurückgekehrt. Ich...hatte nicht den Mut,“ fügte er hinzu. „Ich mag Horgels nämlich auch, wissen Sie? Aber solange ich ein paar Millionen Kilometer von ihnen entfernt bin, ist es nicht so schlimm. Ich kanns mir sogar erlauben, philosophisch über diese Angelegenheit zu nachzudenken. Aber da oben... Das alles nochmal zu erleben, und nochmal zu fühlen, was ich einst gefühlt habe... das würde mich in den Wahnsinn treiben!
Und nebenbei bemerkt, Farnsworth, das ist genau der Grund, warum Sie Erd-Arrest haben. Nun, da Sie wissen, dass wir die Horgels methodisch ausrotten, müssen Sie einsehen, dass die Venus kein gesunder Ort für Sie ist. Es mag Ihnen seltsam vorkommen – aber die Regierung sorgt sich um die Gesundheit ihrer Bürger und hat kein Verlangen danach, sie in unnötiger Gefahr für Leib und Verstand zu wissen. Nachdem Sie einen Horgel auf dem Arm hatten, sind Sie ein untragbares Risiko. Sie sind lebenslänglich auf die Erde verbannt!“
Farnsworths Protest wurde abgeschnitten, indem Thompson unmittelbar fortfuhr und damit radikal jeder möglichen Unterbrechung zuvorkam.
Sehen Sie, unsere Experten fanden heraus, wo das Problem lag. Horgels sind eine ernstzunehmende Bedrohung. Wir Raumfahrer haben sie vorher nie in diesem Licht gesehen. Denn wir dachten, wir besitzen diese Viecher, und in Wirklichkeit war genau andersrum. Und sie waren gierig. Sie wollten nicht nur einen Menschen, sie wollten alle! Auf der Erde wäre so ein Geschöpf zerstörerischer als die Atombombe. Was ein einziges Exemplar an Bord uns antat, war nur eine winzige Kostprobe dessen, was sie wirklich ausrichten könnten, wenn man ihnen Gelegenheit dazu gegeben hätte.“ Thompson schauderte. „Dank Katy sind wir an diesem Schicksal grade noch mal verbeigeschrammt.“
Aber warum hasste die Katze sie so sehr?“ fragte Farnsworth neugierig.
Thompson erhob sich seufzend und schob Cato von sich, der mit einem geschmeidigen Satz zu Boden sprang und dort sein Missfallen kundtat. Er blickte zum Katze hinab und lächelte. „Du denkst vielleicht, du besitzt mich, alter Junge – aber was du denkst und was ich denke sind, schätze ich, zwei verschiedene Dinge.“ Er wandte sich Farnsworth zu und antwortete bedächtig: „Was Ihre Frage angeht - da gibt es zwei mögliche Lösungen. Die Biologen sagen, es hat was mit dem Körpergeruch der Horgels zu tun – der Effekt scheint eine Art von negativer Katzenminze zu sein. Aber ich glaube, da liegen sie falsch. Ich glaube, es ist etwas viel Grundsätzlicheres. Sehen Sie – wie ich schon gesagt habe, Sie besitzen eine Katze nicht. Die Katze besitzt Sie – und die Horgel-Viecher – sie kommen diesem Besitzrecht in die Quere. Katy war die Schiffsqueen, und sie konnte die Konkurrenz nicht ertragen. Und dafür sollte ihr die menschliche Rasse ewig dankbar sein.“

Originaltitel:
Quarantained Species
Super-Science Fiction 1957-12
Übersetzung: Matthias Käther © 2020


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