Sonntag, 3. Mai 2020

Randall Garrett: Der Wunsch-Stein (1953) Fun-tasy


Es war ein kleiner, unaufdringlicher Laden in der Park Avenue, im Bereich der unteren Fünfziger-Straßenkreuzungen.
Schon aus diesem Grund wurde er zum täglichen Beobachtungsobjekt von Henry Bobbet Crimp. Henry Crimp pflegte die sieben Blocks der Park Avenue vom Hauptbahnhof bis zu seinem Antiquitätengeschäft seit vielen Jahren auf- und abzulaufen. Henry hatte einen ausgeprägten Sinn für Details, und so behielt er die Dinge entlang seiner Route gut im Blick.
Wenn Madame Jeanne ein neues Kleid in ihrem Schaufenster platzierte, unterwarf er es jedesmal einer ausgiebigen Kritik, auch wenn er Madame Jeanne noch nie getroffen hatte und auch nicht das Bedürfnis verspürte, es jemals zu tun. Wenn T. Carrozotti die Auslagen seines Süßwarengeschäfts neu arrangierte, musterte er sie ausgiebig und zollte dem Konditor stille Bewunderung.
So wusste er natürlich vom leeren Laden an der 50. Straße, just an der Westseite des Parks, und entsprechend angenehm überrascht und beeindruckt war er, als er eines Morgens entdeckte, dass er vermietet worden war.
Denn Mr. Crimp befürchtete ständig eine Rezession, die er längst überfällig glaubte, und leere Schaufenster flößten ihm ein vages Unbehagen ein.
Er blieb stehen, um die dezenten goldenen Buchstaben zu betrachten, mit denen das Fenster beschriftet war. Sie informierten ihn darüber, dass ein Samuel Hobart den Laden übernommen hatte. Mr. Crimp beglückwünschte Mr. Hobart – quasi per Gedankenübertragung – wegen seines Muts, so eine bedeutende Geschäftsverpflichtung eingegangen zu sein, dann schweiften seine Augen hinunter, um zu erkunden, was das Schaufenster enthielt.
Einen Stein.
Nichts weiter als einen großen, grauen Felsbrocken, ein wenig vom Glas zurückgesetzt, ruhend auf einer recht niedrigen Plattform, vermutlich damit seine raue Oberfläche das teure Teppichmaterial nicht beschädigte.
Eine blitzweiße Karte lehnte an dem hässlichen Ding. Geschrieben mit derselben dezenten Schriftart wie auf dem Schaufenster stand dort:

Wunsch-Stein, 3.000,-

Mr. Crimp war schockiert, und das gleich doppelt. Zum einen verletzte der grässliche Stein sein feinsinniges artistisches Empfinden, und zweitens beleidigte die Preisgestaltung seinen eigenen Geschäftssinn. Samuel Hobart war ein Verrückter, beschloss er. Oder er war zumindest exzentrisch über alle schicklichen Grenzen hinaus. Eine seltsame Geschichte – wirklich!
Er registrierte, dass der Laden ansonsten nur spärlich ausgestattet und karg möbliert war. Der Stein schien Mr. Hobarts einziger Handelsartikel zu sein. Abgesehen von einer Stehlampe und zwei Ohrensesseln war das Geschäft leer.
Langsam setzte Mr. Crimp seinen Weg fort. Bald erreichte er sein eigenes, hervorragend ausgestattetes Geschäft, dessen prosperierende Aura sein Herz erwärmte. Doch am späteren Nachmittag fand er neue Ursache, Mr. Hobart zu grollen. Er entdeckte, dass sein Geist immer wieder hartnäckig zum neuartigen Unternehmen des Kollegen in der Park Avenue zurückkehrte und seine eigenen Probleme völlig hin den Hintergrund drängte. Und er spürte, dass seine Probleme eigentlich Vorrang hatten, erstens, weil sie älter und zweitens weil sie dringlicher waren. Sie wollten überdacht werden und hatten dazu eine größere Berechtigung als die dämliche Frage, wie ein Mann ernsthaft erwarten konnte, einen Felsbrocken von der Größe eines Schreibtisches für dreitausend Dollar zu verkaufen.
Mr. Crimps Probleme hatten zu tun mit einem kürzlich entdeckten Mangel im Besitztitel seines Westchester-Anwesens. Es war keins der großen Anwesen, wie sie die hiesige Gegend beherrschten, aber auch nicht grade eine Bauernhütte, und es war genau das Richtige für Henry und Bella Crimp, die mit einer Handvoll Bäumen und ein paar Quadratmetern Rasenfläche, auf denen man eine Sonnenuhr aufstellen konnte, zufrieden waren.
Einer der wenigen Fehler, die Mr. Crimp in seinem Leben begangen hatte, war das Versäumnis, sich von seiner zuständigen Behörde eine Beglaubigung des Titels geben zu lassen. Und so beanspruchte, als der Mangel im Titel entdeckt wurde, ein Nachbar einen beträchtlichen Teil des Crimpschen Rasens vorm Haus. Mr. Crimp befand sich in einer verzwickten Situation, denn sein Nachbar besaß einen sehr klar verfassten Besitztitel und noch dazu eine große Firma, die ihm den Rücken stärkte. So hatte Mr. Crimp bei einem Anwalt Zuflucht suchen müssen, was ihn nicht davon befreite, weiterhin mit derselben Sorge auf die Angelegenheit zu blicken wie vorher.
Klar, dass es Mr. Crimp ärgerte, von Gedanken an einen Wunsch-Stein abgelenkt zu werden.
Er drängte ihn resolut aus seinem Sinn, doch an diesem Nachmittag auf dem Weg zum Hauptbahnhof und zum Fünfuhrsechsunddreißig-Zug ertappte er sich dabei, wie er mit Ungeduld zum neuen Laden eilte, um nachzusehen, ob der Stein noch da war.
War er.
Mr. Crimp starrte ihn an, schüttelte den Kopf missbilligend und zog weiter, um seine Bahn zu erwischen. In dieser Nacht erzählte er Bella davon, doch sie war zu abgelenkt durch die Sorgen über den fehlerhaften Titel, und ihre Reaktion fiel sehr schwach aus.
Eine Woche verging, in der Mr. Crimp zweimal täglich an dem absurden Felsen vorbeispazierte. Und gegen Ende der Woche war er überrascht, um nicht zu sagen leicht amüsiert, als er entdeckte, dass sich seine Haltung dem Brocken gegenüber geändert hatte. In gewisser Hinsicht hatte dieser Stein Persönlichkeit. Auf unbestimmte Art bemitleidete Mr. Crimp den Felsen, der gezwungen war, in dieser unpassenden Umgebung herumzuhocken – so fremd in der Park Avenue, wie Madame Jeannes Kleidershop es in einem Kanadischen Holzfällercamp gewesen wäre.
So empfand er in der Mitte der nächsten Woche, als er Sam Hobarts Laden betrat, um seine Neugier zu befriedigen, ein gewisses moralisches Recht dazu. Er kam hier nicht herein als idiotischer Kunde, der auf das reinfiel, was man in der Fachsprache als „Nepp“ bezeichnete. Sein Eintritt war gerechtfertigt durch längere Bekanntschaft. Zumindest suggerierte ihm dies sein Unterbewusstsein. Ansonsten hätte er sich natürlich niemals gestattet, Sam Hobart zu besuchen.
Der Mann, der durch eine Vorhangöffnung heraustrat, als Mr. Crimp hereinkam, war groß, sehr gut gekleidet und von exzellenter Erscheinung. Er lächelte und fragte: „Guten Tag, kann ich Ihnen helfen?“
Mein Name ist Crimp, Henry Bobbert Crimp. Ich besitze einen Antiquitätenladen weiter nördlich in der Straße. Vielleicht haben Sie ihn bemerkt.“
Das habe ich wirklich. Ich bin Sam Hobart – ganz zu Ihren Diensten.“
Mr. Crimp suchte nach Worten. Er hatte nicht bedacht, wie schwierig es sein würde, seiner Neugier einen formalen Ausdruck zu geben.
Ich … Ich komme hier oft vorbei auf meinem Weg zum Zug. Ich habe … Ihren … Stein bemerkt. Und mich gefragt, was das ist.“
Sam Hobarts Antwort war direkt, doch in keiner Weise unverschämt.
Die Karte ist doch selbsterklärend. Das Objekt ist ein Wunsch-Stein.“
Ah ja. Aber ... ich … ich verstehe nicht ganz …“
Es ist ziemlich einfach. Man setzt sich drauf und wünscht sich etwas.“
Sam Hobart zuckte mit den Achseln. „Der Wunsch geht in Erfüllung. Ein sehr nützliches Utensil für jedes Heim.“
Das war ein bisschen zu viel des Guten – wenn man es so unverblümt serviert bekam.
Ach, kommen Sie“, lächelte Mr. Crimp. „Das glauben Sie doch selber nicht.“
Sam Hobarts Augen weiteten sich ein bisschen – das war alles, doch es war genug. Sein Blick verriet für einen Moment eine gewisse höfliche Amüsiertheit, eine verwirrend unbeteiligte Amüsiertheit für einen Mann, der darauf aus war, einen Dreitausend-Dollar-Stein zu verkaufen.
Das ist keine Frage von Glaube oder Unglaube. Man bezweifelt ja auch nicht die Existenz, von, sagen wir mal, dem Mond. Man kann ihn sehen. So einfach ist das.“
Nicht ganz“ entgegnete Mr. Crimp, der sich für recht gewitzt hielt. „Man kann nicht … Ich meine, den Mond zu sehen ist etwas ganz anderes als sich auf einen Stein zu setzen und sich etwas zu wünschen.“
Überhaupt nicht!“ Sam Hobart nahm Mr. Crimp sanft beim Arm und führte ihn sieben Schritte nach rechts. „Setzen Sie sich! Bitte!“, sagte er, immer noch mit dem milden Amüsement eines Erwachsenen, der mit einem Kind spricht. „Jetzt denken Sie an ihr drängendstes Problem und äußern das Bedürfnis, dass es zu Ihren Gunsten gelöst wird.“
Das konnte Mr. Crimp ohne große Konzentration. Um genau zu sein, er wäre gar nicht in der Lage gewesen, es nicht zu tun, so sehr bedrängte sein Problem das Gemüt.
Sam Hobart gab ihm keine Chance, ein ungebührliches Betragen zu demonstrieren, etwa indem er frivol vom Stein aufsprang. Nach einer Weile zog er Mr. Crimp behutsam hoch, ganz so, wie ein Zahnarzt seinem Patienten aus den Tiefen seines Zahnarztstuhls aufhelfen würde.
Mr. Crimp hatte sich noch nie zuvor so dämlich gefühlt. „Ich schätze, dass jetzt eine Gebühr fällig ist“, murmelte er, bereute jedoch sofort seinen Sarkasmus. Das war natürlich eine sehr würdelose Bemerkung.
Doch seine Ironie war an Sam Hobart völlig verschwendet. „Aber nicht doch!“ wehrte der herzlich ab. „Im Gegenteil – fühlen Sie sich eingeladen, den Stein jederzeit zu benutzen! Das heißt, solange, bis er verkauft ist, versteht sich. Immer, wenn Sie ein Problem haben, zögern Sie nicht, vorbeizuschauen.“
Mit diesen Worten drehte Sam Hobart sich um und verließ den Raum. Mr. Crimp starrte den Vorhang an, bis er sich nicht mehr bewegte. Dann ruhten seine Blicke einen Moment lang auf dem Stein.
Später, im Fünfuhrsechunddreißiger Zug, leugnete er jeden Anflug von Unwirklichkeit, den dieser Vorfall in sich zu bergen schien. Das Ganze war nichts weiter als eine Riesenportion Schwachsinn. Er hatte seine Neugier befriedigt, sagte er sich selbst mit Bestimmtheit, und Sam Hobart hatte ihn kein bisschen an der Nase herumgeführt. Mr. Crimp wusste: Sein zweiter Besuch würde das Signal für die übliche aggressive Alles-oder-Nichts-Tour sein, und Hobart würde das finale drängende Verkaufsgespräch führen.
Als sein Zug zum Halten kam, erinnerte er sich an Hobarts Formulierung: „ ... solange bis er verkauft ist, versteht sich.“ Hobart war sich seiner Sache verdammt sicher gewesen. Konnte der Mann wirklich und wahrhaftig selbst daran glauben? fragte er sich immer wieder, als er vom Bahnhof nach Hause lief.
Er hatte beschlossen, Bella nichts von der Geschichte zu erzählen, doch sein Vorsatz schmolz dahin, als er an der Haustür anlangte, vor der sein Eheweib wartete – und die Relevanz ihrer Neuigkeiten erfasste.
Das Grundstück gehört uns, Liebling! Der Anwalt hat vorhin angerufen! Du sollst ihn zurückrufen, aber er hat mir schon erzählt, worum es geht. Das Grundstück gehört uns!“
Mr. Crimp rief an und erfuhr die Details. Sie liefen darauf hinaus, dass die Firma des Nachbarn es aufgegeben hatte zu versuchen, Henry und Bella den Boden und den Füßen wegzuziehen. Es schien, dass ihr Titel letztendlich doch sehr solide war. So solide, dass Nachbar und Firma bereit waren, sich für eine lächerlich kleine Vergleichssumme zu einigen. Der Anwalt versicherte Henry, dass die Firma erst diesen Nachmittag zu ihrem Entschluss gelangt sei und er es Bella sofort mitgeteilt hätte.
Nach dem Abendbrot, das den Charakter eines Festessens hatte, erzählte Henry Bella vom Wunschstein-Vorfall. Er erzählte es leichthin, bereit, in ihr Lachen mit einzustimmen – ja um es selbst komisch zu finden.
Doch Bella stimmte nicht mit ein. Sie wirkte gedankenversunken. Später fragte sie: „Lieber, denkst du, der Stein könnte etwas damit tu tun haben?“
Natürlich nicht! Ein reiner Zufall. Nichts als ein monströser Zufall.“
Bella seufzte. „Sicher, Schatz. So muss es sein. Aber seltsam ist es schon, nicht wahr?“
Henry gab zu, dass dies der Fall war, und später gingen sie beglückt über ihren Erfolg zu Bett.
Am nächsten Morgen verweilte Henry Crimp vor Sam Hobarts Wunschstein-Shop. Er streckte seine Hand nach der Klinke aus – zog sie dann aber abrupt zurück und eilte weiter. Verdammt wollte er sein, wenn er das täte! Verdammt, wenn er Hobart diese Befriedigung verschaffte!
Doch der Vorsatz verlor auf dem Heimweg an Schwung. Er betrat den Shop, und wie zuvor trat Sam Hobart hinter dem Vorhang hervor.
Er lächelte und sagte: „Ah, ich sehe, Ihr Wunsch ging prompt in Erfüllung!“
Mr. Crimp hatte eigentlich eine Ich-habs-doch-gleich-gesagt-Attitüde erwartet, aber irgendwie kam der Ladenbesitzer nicht so herüber. Hobart hätte dieses typische Schuhverkäufergehabe an den Tag legen können: „Ah, ich bin entzückt, dass Sie diese Reitstiefel zu schätzen wissen...“ Nichts dergleichen. Kein Getue. Sondern lediglich höfliches, leicht gelangweiltes Interesse. Und noch nicht mal augenfällige Langweile. Sam Hobart war offensichtlich ein aufrichtiger – wenn auch äußerst sonderbarer - Typ.
Wie … woher wissen Sie...?“
Hobart schmunzelte und hob die Hände. „Mein lieber Sir ...“
Dann zuckte er die Achseln, als appelliere er an das Verständnis von Crimp dem Schlaukopf, dass er mit Crimp dem Idioten verhandeln müsse.
Es kann sich da nur um einen Zufall gehandelt haben!“ versicherte Mr. Crimp, versicherte es fast verzweifelt, mit dem flehenden Unterton: „Bitte, stimmen Sie mir zu! Um Himmels willen, Mann! Sonst werde ich wahnsinnig...“
Hobarts Haltung änderte sich. Er wurde frostig – wenn auch nur ein bisschen – und schaute eher durch Mr. Crimp hindurch als auf ihn. Ein Hauch von Gekünsteltheit erschien in seinem Lächeln. „Ich freue mich, wenn Sie Gebrauch von dem Stein machen“, versicherte er. „Wie ich ihnen schon sagte: Bitte fühlen Sie sich herzlich eingeladen, vorbeizuschauen und ihn zu benutzen. Jederzeit. Solange er hier ist. Und nun werden Sie mich entschuldigen.“
Mr. Crimp starrte hinter Hobart her, in seinem Hirn tobten die Gedanken. Warum hatte der Mann nicht das Offensichtliche getan? Warum hatte er nicht versucht, den Stein zu verkaufen? Er stand ja ganz eindeutig zum Verkauf. Es gab ein Preisschild. Der Moment war zweifelsohne günstig. Mr. Crimp hatte jedes Recht, nun einen Verkaufsversuch zu erwarten. Er war darum betrogen worden, und er grollte ob der versäumten Gelegenheit. Er war ein logisches Objekt merkantiler Versuchung und war somit berechtigt, den Verführungen heroisch zu widerstehen und Hobart dafür auszulachen, dass er den Verkauf auch nur in Erwägung zog.
Mr. Crimp fühlte sich verraten. In seiner Frustration wandte er sich gegen den Stein selbst. Er wurde Zeit, diesem Betrug ein für alle Mal ein Ende zu bereiten, obwohl er nicht einmal die Ehre der Entlarvung wert war. Sich kurz umblickend schritt er entschlossen auf den Fels zu und setzte sich drauf, wie er es am Vortag getan hatte. Ein Wunsch? Er musste kurz nachdenken. Was könnte er sich wünschen … Oh, Natürlich! Dieser abscheuliche italienische Stuhl, für den er viel zu viel bezahlt hatte. Stand schon seit Monaten im Schaufenster. Eine exzellente Idee, mit dieser albernen Angelegenheit hier zu Ende zu kommen. Es konnte kein einziges Individuum in New York geben, das etwas derartiges begehrte.
Mr. Crimp wünschte sich inbrünstig den Verkauf des Stuhls. Dann stand er auf, schaute sich nochmals um – er fühlte sich etwas schuldig – und ging heim.
Er fand die Notiz am nächsten Morgen. Man hatte sie unter der Tür hindurchgeschoben. Eine saubere weibliche Handschrift, geschrieben auf der Rückseite eines Briefumschlags.

Geehrter Herr,
Der Renaissancestuhl auf der linken Seite Ihres Schaufensters würde die Ausstattung eines Raumes wundervoll abrunden, den ich gerade einrichte. Bitte verkaufen Sie ihn nicht, bis ich gegen Mittag zurückkehre!
Helen Epperson,
New Haven, Conn.

Zumindest“, dachte Mr. Crimp, „hatte ich in einer Beziehung recht. Niemand aus New York wollte ihn.“
Doch er zog wenig Befriedigung aus dem Gag. Eine immense Gereiztheit stieg in ihn auf, und er konnte sie nicht abschütteln. Sie wuchs noch, als Mrs. Epperson etwas außer Atem erschien und den Katalogpreis ohne Zögern bezahlte.
Diesen Nachmittag vermied er es sorgfältig, den Stein anzublicken, als er in Richtung Hauptbahnhof lief. Zu Hause war er so zerstreut, dass sein Verhalten Bella zu einer kritischen Bemerkung während des Abendessens veranlasste.
Am nächsten Morgen reagierte er extrem verärgert, als seine Bahn langsam vor sich hinzuckelte, bevor sie die Station erreichte. Als der Zug einfuhr, stand er bereits an der Tür, ungeduldig darauf wartend, aussteigen zu können – so etwas hatte er noch nie zuvor getan. Und als er Sam Hobarts Schaufenster erreichte, war er überrascht, sich außer Atem zu finden. Also wirklich – wie absurd!
Doch seine Selbstverurteilung erlosch sofort, als er sah, dass der Stein immer noch da war. Keiner hatte ihn gekauft. Er ging weiter zu seinem eigenen Geschäft, doch er betrat es nicht. Stattdessen kehrte er um in Richtung Wunschstein. Er betrat den Laden. Sam Hobart schnellte hinter dem Vorhang hervor, als hinge er an unsichtbaren Drähten, die sich beim Öffnen der Eingangstür in Bewegung setzten.
Ich will ihn kaufen.“ keuchte Mr. Crimp.
Sam Hobart lächelte weder, noch schaute er missbilligend drein. Er zeigte weder Überraschung noch Enttäuschung. Er fragte:
Wohin soll er geliefert werden?“ und wartete auf Antwort.
Ich habe ein Grundstück in Westchester“, sagte Mr. Crimp. Er klaubte ein Scheckbuch aus seiner Tasche und schrieb hastig. Er händigte Sam Hobart den Scheck aus, der ihn akzeptierte, als wäre es der fünfzigste an diesem Tag.
Wenn Sie Ihre Adresse hierlassen würden...“, schlug Hobart vor.
Sam rätselte darüber nach, wie er Bella die Neuigkeit beibringen sollte. Nicht das Geld bereitete ihm Sorgen. Er hatte jede Menge davon, und die Ausgabe machte ihm überhaupt nichts aus. Aber Bella könnte …
Er beschloss, es auf die leichtherzige „Ach-Übrigens“-Tour zu versuchen, und schnitt das Thema am Abend mit den Worten an:
Weißt du, mir ist eine seltsame Sache passiert heute. Ich kam an dem Schaufenster in der Park Avenue vorbei, in dem dieser alberne Wunsch-Stein steht, und ich entdeckte, dass ich inzwischen eine gewisse sentimentale Anhänglichkeit dem Ding gegenüber entwickelt habe ...“
Bella aß ihre Melone. Sie schnitt ein gelbes Stück heraus und bemerkte:
Wir könnten ihn an die Stelle im Garten stellen, wo der Sturm letztes Jahr den Baum entwurzelt hat.“
Erleichtert ließ Mr. Crimp das Thema fallen.
Am nächsten Morgen war das Schaufenster leer und Mr. Crimp empfand ein seltsames Gefühl der Einsamkeit, als er daran vorbeiging. Augenscheinlich hatte Mr. Hobart das Ding schon heute früh versandt.
Ein zweiter Wunsch-Stein erschien nie in dem Laden. Mr. Crimp wartete umsonst darauf und hielt auch vergeblich nach Sam Hobart Ausschau. Sam Hobart erschien auch nie wieder in dem Laden. Doch zwei Wochen später, als er an dem Geschäft vorbeiging, fand er die Tür offen und sah, wie ein kleiner mürrisch aussehender Mann hinter dem Vorhang hervorkam. Mr. Crimp trat näher. Der Fremde beäugte ihn ohne Herzlichkeit und fragte:
Wer sind Sie?“
Mein Name ist Henry Bobbet Crimp. Ich bin Antiquitätenhändler. Mein Laden ist weiter oben in der Straße.“
Der Fremde grunzte und wühlte sich durch einen Haufen Papiere, die er hinter dem Vorhang gefunden hatte – oder woanders. „Kennen Sie Sam Hobart?“
Er war ein flüchtiger Bekannter“ erwiderte Mr. Crimp reserviert.
Ein Wunsch-Stein-Dealer“, grunzte der Fremde.
Ist Mr. Hobart ausgezogen?“
Ist er. Wir haben ihn in Pennsylvania geschnappt. Das war einer der Staaten, die ihn dringend haben wollten. Er ist eingelocht worden.“
Mr. Crimp blinzelte. „Er ist – im Gefängnis?“
Jep. Hochgefährlicher Trickbetrüger. Und einer der besten.“
Der Mann wies mit dem Daumen auf sich. „Mein Name ist O'Hara. Sergeant im städtischen Betrugsdezernat.“
Freut mich, Sie kennenzulernen!“ sagte Mr. Crimp.
O'Hara war in redseliger Stimmung. „Ja, schlauer Fuchs, dieser Hobart. Diese Stein-Verkaufs-Idee – da braucht es Grips zu, sowas durchzuziehen, nicht? Dabei ist es simpel – so simpel, dass es fast schon wieder jämmerlich ist.“
Ich, äh, kann mir vorstellen,“ hauchte Mr. Crimp kläglich, „dass es ziemlich schwierig ist, so einen großen Stein zu verkaufen.“
O'Haras missmutiger Gesichtsausdruck wurde noch missmutiger. „Passen Sie mal auf. In ein paar Wochen kommen etwa eine halbe Million Menschen hier vorbei. Grob geschätzt.
Natürlich. Grob geschätzt.“
Sagen wir mal, von dieser halben Million bleibt ein Viertel stehen und schaut sich den Stein an. Kichert vielleicht und zieht weiter. Die meisten ziehen weiter. Aber wenn das Ding lange genug da ist, werden garantiert ein paar tausend reinkommen und ihre Neugier befriedigen.
Hobart hat diese Steine durchschnittlich etwa einen Monat lang überall im Land angeboten. Ein Menge von den Leuten kriegt er dazu, sich auf den Stein zu setzen, und einem gewissem Prozentsatz wird ihr Wunsch erfüllt. Ist 'ne mathematische Tatsache.“
Mr. Crimp lächelte schwach. „Ich fange an zu begreifen, was Sie meinen.“
Ein Baby könnte es begreifen! Nichts als ein simpler Eliminierungsprozess. Von denen, die auf dem Stein saßen, werden einige zwei Wünsche äußern – und erfüllt sehen. Vielleicht auch drei oder vier hintereinander. Und einer von denen wird die richtigen ... Qualifikationen haben: den Platz, das verdammte Ding aufzustellen, das Geld, ihn zu kaufen, kurz, das Zeug zu einem Totalversager. Sie sehen – Hobart hält Ausschau nach nur einem Kunden unter Millionen. Nehmen Sie ein paar Millionen Menschen ins Visier, und irgendwer wird alles kaufen, und ich meine alles.“
Mr. Crimp war ungewöhnlich heiß geworden. „Vielen Dank, dass Sie's mir erklärt haben. Es scheint ironisch, dass Mr. Hobart nun Steine klopft, nachdem er Steine verkloppt hat.“ Mr. Crimp lächelte und empfand einen bescheidenen Stolz auf seinen Kalauer.
Leider nicht. Wir haben ihn gar nicht wegen der Steine drangekriegt. Wir bräuchten eine Anzeige von einem der Volltrottel, die einen Stein bei ihm gekauft haben, aber diese Idioten halten dicht. Wir haben ihn wegen einer Geldzaubermaschine festgenagelt, die er letztes Jahr oben in Jersey verkauft hat.“
Nochmals vielen Dank“, sagte Mr. Crimp. „Ich muss jetzt weiter.“
Übrigens, wenn der Spinner, der diesen Stein hier sein Eigen nennt, bei uns auspacken würde, könnten wir ihm wahrscheinlich sein Geld zurückerstatten...“
Schönen Tag noch!“ rief Mr. Crimp und eilte davon.
An diesem Abend ging Mr. Crimp zu Fuß in seinen Garten und betrachtete seinen Wunsch-Stein. Nach einer Weile setzte er sich auf ihn. Er lächelte. Es lag eine gewisse Einfalt in diesem Lächeln. Aber es war ein Lächeln.

Ivar Jorgensen [d.i. Randall Garrett]: The Wishing Stone
Fantastic, July 1953
Übersetzung: Matthias Käther © 2020




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