Sonntag, 26. Juli 2020

Ralph Williams: Kleines Missverständnis (1957)


Connor reiste nicht gern per Flugzeug. Er verspürte keine Flugangst, doch ihn plagte ein chronisches Nebenhöhlenproblem, das seine Ohren verstopfte und ihm Kopfschmerzen bereitete, so dass er mehr Zeit brauchte, um sich von der Reise zu erholen als für die Reise selbst. Wenn es irgendwie ging, reiste er mit der Bahn.
Nichtsdestotrotz hatte seine Firma kürzlich eine eigene Spezialmaschine gechartert, und so war sein Chef, der Verkaufsleiter, auch dazu verpflichtet, sie zu nutzen. Connor hatte versucht, der Verkaufsleitung sein Nebenhöhlenproblem zu erklären, doch sein Chef war ein deftiger Typ voller Lebenskraft, der die Gebrechlichkeiten seiner Untergebenen für eine raffinierte Form des Simulierens hielt. Und als Connor merkte, dass er mit seinen Klagen nicht weiterkam, ließ er die Sache fallen. Er war ohnehin nicht allzu zufrieden mit seinem Job; es war einfacher, erstmal so weiterzumachen wie bisher und sich dabei ohne Hast nach einem Arbeitgeber umzusehen, der kein Flugzeug sein eigen nannte. Oder zumindest seine Außenmitarbeiter nicht dazu zwang, es zu benutzen.
So erreichte Connor Springfield per Flugzeug, und weil der Firmenpilot sich für einen tollen Hecht hielt und ein Luftloch von zwanzig Meilen Durchmesser dazu nutzte, den Autopiloten auszuschalten, um im Kamikazeflug sein Ziel fünfzehn Minuten eher erreichen, kroch Connor taub wie eine Sumpfotter und mit hirnzerreißenden Kopfschmerzen aus der Maschine.
Wenigstens war es schon nach fünf, als er anlangte, und damit zu spät für irgendwelche Dienstgespräche. Connor schleppte sich direkt in sein Hotel, schluckte drei Aspirin und warf sich aufs Bett, um sich gesund zu schlafen.
Er erwachte gegen Mitternacht. Seine Kopfschmerzen waren weg, und er fühlte sich erheblich besser. Seine Ohren fühlten sich immer noch verstopft an, doch sie würden am nächsten Tag wahrscheinlich okey sein. So konnte er mit etwas Glück seine Geschäfte morgen abschließen und die Stadt mit dem Zug verlassen, bevor die Maschine am Donnerstag zurückkam.
Inzwischen war er hungrig geworden. Ihm war vorhin viel zu elend gewesen, als dass er ans Essen hätte denken können.
Das Hotelrestaurant hatte seit 22 Uhr geschlossen, wie ein Schild an der Glastür verkündete. Connor spazierte durch die Lobby, trat hinaus auf die Straße und suchte sie mit den Augen links und rechts nach Restaurantschildern ab. Ein paar Straßen weiter gab es ein größeres und wesentlich opulenteres Hotel, an dem ein Schild leuchtete. Er schlenderte hinüber und schaute hinein. Anscheinend was dies einer der populären nächtlichen Hot-Spots der Stadt. Es gab eine Bar, eine kleine Tanzfläche und eine Band. Der Laden war proppenvoll und laut. Essen würde hier überteuert sein und sich um diese Zeit auf ein Sandwich beschränken. Angesichts des Lärms und seiner verstopften Ohren sah er Schwierigkeiten voraus, sich dem Kellner verständlich zu machen, der ihn todsicher für einen dieser unhöflichen „Ein-Kaffee-und-ein-Sandwich“-Kunden halten würde.
Er lief die Straße einen Block weit hinunter bis zu einer Kreuzung und spähte in beide Richtungen, unentschlossen am Bordstein vor der Ampel schwankend. Es gab ein paar Bar-Schilder, doch keine Hinweise auf eine Gaststätte, nicht mal auf einen Imbiss.
Tolle Stadt.
Naja, vielleicht kannte der Nachtdienst in seinem Hotel irgendwas.
Er ging zum Hotel zurück und fand den Angestellten über die Empfangstheke gelehnt im Gespräch mit einem der Gäste. Als Connor näherkam, nickte der Gast lächelnd und verschwand die Treppen hinauf, in der Hand eine zusammengefaltete Zeitung schwenkend. Der Angestellte wandte sich Connor zu und sah ihn fragend an. Connor sagte ihm, was er wollte, und der Angestellte erzählte ihm irgendwas, das Connor nicht ganz verstand wegen seiner halbtauben Ohren, und wies in die Richtung des größeren Hotels.
Connor schüttelte seinen Kopf. „ Ein Käsesandwich und jede Menge Radau für einen Haufen Kohle und noch mal die Hälfte obendrauf für Trinkgeld!“ sagte er liebenswürdig. „Ich kenne diese Lokale. Gibts nicht irgendein ruhiges Restaurant hier ganz in der Nähe, wo man einfach was zu Essen bekommt, ne anständige Mahlzeit?“
Es ist ganz schön spät für ne anständige Mahlzeit!“, sagte der Angestellte. Sein Tonfall verriet, dass jeder, der so irreguläre Essgewohnheiten besaß, selbst schuld war, wenn ihn jetzt der Hunger plagte.
Connors Job sorgte oft dafür, dass sein hitziges Temperament gehörig unter Druck geriet. Natürlich konnte er keine offene Aggression als Ventil benutzten, und so hatte er eine persönliche Standardabwehr entwickelt, wenn ihm jemand besonders grob kam - eine ironische Masche, absichtlich in größter Überzeugung das Gegenteil von dem zu behaupten, was offensichtlich war, um sein Gegenüber zu verwirren und zu ärgern. Also sagte er kalt:
Ich speise nie vor Mitternacht. Schlecht für die Verdauung.“
Der Angestellte sah erschrocken aus. (Connor war mit dem Ergebnis sehr zufrieden.)
Nicht vor Mitternacht?“
Er studierte Connor skeptisch. Dann lehnte er sich über die Theke und erkundigte sich nach etwas in einer leisen, verschämten Weise.
Was?“ fragte Connor absichtlich lautstark.
Der Angestellte sah sich nervös in der Lobby um. „Sind Sie auf Spezialdiät, Sir?“ fragte er, beugte sich noch weiter vor, immer noch leise wispernd, aber diesmal bewegte er die Lippen übertrieben beim Sprechen, anscheinend, um ihnen eine gewisse feierliche Note zu verleihen.
Wahrscheinlich hält er mich für bekloppt“, dachte Connor. „Ach, zur Hölle mit ihm“. Er nickte kurz.
Der Angestellte leckte seine dünnen Lippen, kritzelte abwesend irgendwas auf seinem Notitzblock und studierte Connor aus den Augenwinkeln. „Na schön“, seufzte er endlich, mit einer etwas lauteren Stimme, als hätte er widerwillig vor dessen Schwerhörigkeit kapituliert, „es gibt da einen Ort, ein bisschen die Straße rauf, ne Art Spelunke, aber es heißt, die haben einen guten Koch. Ne Menge Leute auf Spezialdiät aus dieser Stadt essen da. Könnte sein, dass Sie dort was nach Ihrem Geschmack finden.“
Er gab Connor genaue Richtungsanweisungen; Connor dankte ihm und zog eiligst los, um so den vielen Fragen zu entgehen, die sein Gegenüber offensichtlich plagten.
Er hatte einige Schwierigkeiten, das Lokal zu finden; es war nicht direkt von der Straße aus zu erreichen, sondern man musste sich durch eine enge Nebengasse zwängen; niemand wäre auf den Gedanken gekommen, dass es dort so etwas gäbe, es sei denn, man suchte ganz bewusst nach dem kleinen roten Schild „Café“.
Es gab einen kurzen Tresen mit Barhockern und drei Séparées entlang der Wand. In einem davon saßen zwei unscheinbare Individuen, tranken Bier und unterhielten sich. Ein kleiner rundgesichtiger Mann mit einem Hut, der auf seinem kahlen Schädel weit nach hinten gerutscht war, saß auf einem der Barhocker und las eine Zeitung, im Mund einen Zahnstocher und vor sich eine Tasse Kaffee. Der Barmann, angetan mit T-Shirt und schmieriger Schürze, war dabei, ranziges Fett von einer Kochplatte zu kratzen.
Ein billiger Restaurantgeruch durchdrang das Lokal, das gereifte Bouquet jahrelang vernachlässigter Spritzer längst verdorbenen Essens, ungereinigter Eisfächer, überhitzter Pfannen und verbrannter Eier. All das wirkte nicht sehr vielversprechend, und Connor erwog, in die Hotelbar zurückzukehren. Doch zumindest war es hier ruhig – und so sauber, wie man es von einem Ort dieser Art erwarten konnte.
Er setzte sich auf einen Hocker am Ende des Tresens. Der Barmann kam und fragte: „Was solls denn sein?“
Ich bin nicht anspruchsvoll“, erwiderte Connor. Solange es tot und viel ist ... Ich bin hungrig wie ein verdammter Wolf. Was haben Sie denn so?“
Der Barman wischte verträumt mit einem Lappen über den Tresen. „Steak okey?“ fragte er. „Pommes?“
Connor nickte. „Das ist okey. Halbdurch.“
Der Barmann ging zurück zum Kühlschrank. Der fette Mann senkte seine Zeitung und starrte zu Connor hinüber. „Warm heut nacht, gell?“ fragte er.
Trotz seines Gewerbes was Connor ein zurückhaltender Mann, und wahrscheinlich war er deswegen auch nicht besonders geeignet für seinen Verkaufsjob. Er mochte keine Fremden, die versuchten, ihn an öffentlichen Orten in ein Gespräch zu ziehen. Außerdem war er gerade nicht in der Stimmung für Konversation.
Ein Ohr hatte sich wieder freigeploppt, während er vom Hotel hierher gewandert war, doch da war immer noch ein Klingeln, das es ihm schwer machte, zu verstehen, was andere sagten.
Er grunzte unverbindlich und schlürfte seinen Kaffee.
Der fette Man ließ sich davon nicht entmutigen. „Fremd in der Stadt, gell?“ fragte er.
Nicht wirklich“, gab Connor zurück, der die bukolische Selbstgewissheit seines dicken Gegenübers verabscheute. Doch er war tatsächlich kein Fremder. Er hatte zwar nie hier gelebt, aber er war oft dienstlich in Springfield gewesen, wenn auch nicht in den letzten Jahren. „Wie kommen Sie darauf?“
Der fette Mann grinste anbiedernd, zeigte seine schlechten Zähne und einen weißlichen Gaumen.
Mensch, ich kenn jeden in diesem Kaff hier. Ich bin der Bestatter, es ist mein Beruf, jeden zu kennen.“ Seine Stirn zerfurchte sich. „Sagen Sie mal, wie haben Sie diese Spelunke gefunden? Nicht viele von außerhalb kommen hierher, um zu essen.“
Habs gerochen. Ist doch klar, oder?“ sagte Connor lakonisch. Er blickte auf seine Uhr. „Was hält ihn davon ab, das Steak zu bringen?“
Der fette Mann gluckste. „Es wird gleich kommen“ beschwichtigte er. „Ernie ist glaubt nicht dran, daß es was bringt, Dinge zu überhasten.“
Die beiden Männer in dem schwarzen Separée tranken ihr Bier aus und gingen. Der Fette versuchte, noch ein paar mehr Bemerkungen an den Mann zu bringen, die Connor keiner Antwort würdigte, und kehrte dann zu seiner Zeitung zurück. Endlich kam das Steak.
Es war verdorben. Connor konnte es riechen, als er den ersten Bissen zum Mund führte. Er legte die Gabel wieder hin ohne zu probieren, zündete sich eine Zigarette an und fragte sich, ob er jetzt Stress machen oder einfach abhauen sollte. Er könnte den Mann bitten, ihm ein paar Eier in die Pfanne zu hauen, aber wie die Dinge heute nacht lagen, waren die wahrscheinlich auch schlecht. Und der Barmann war ohnehin in der Küche verschwunden und schien es nicht sehr eilig zu haben, zurückzukehren. Vielleicht, dachte Connor, sollte er einfach zurück ins Bett gehen und die ganze Sache mit dem Abendessen vergessen.
Das Problem war nur – er war immer noch hungrig.
Der Kaffee war nicht schlecht, er nippte daran und rauchte, versuchte, sich zu einer Entscheidung durchzuringen.
Der fette Mann hatte ihn verstohlen über den Rand seiner Zeitung beobachtet. Er legte sie nun hin und lehnte sich zu Connor hinüber. „Was ist los?“ fragte er vertrauenerheischend, „Fleisch nicht gut?“
Connor sah ihn an und sagte nichts.
Der fette Mann grinste. „Bißchen reif, wette ich, gell?“
Nee. Nicht wirklich.“, sann Connor laut, die Gabel hebend und den Bissen mit klinischer Genauigkeit examinierend, „Eher zu frisch, würde ich sagen. Ich kann frisches Fleisch nicht ausstehen.“
Zu frisch?“ Die Augen des Fetten weiteten sich. „Das kann ich mir bei Ernie gar nicht vorstellen. No, Sir, nicht Ernie, der würde nie sein gutes Frischfleisch an Fremde verhökern.“ Er langte zum Teller hinüber und ergriff die Gabel, auf der immer noch der Steak-Bissen streckte und schnüffelte geräuschvoll daran.
Uuah, Jungejunge, Sie müssen total plemplem sein. Das ist nicht frisch, es ist verdammtnochmal fast verwest!“
Connor starrte ihn in stummer Wut an. Soso, Ernie verschwendete also kein frisches Fleisch an Fremde? Er schnappte sich die Gabel und schob sie dem Fetten grob unter dessen dürftigen Schnurrbart. „Und ich sag, es ist zu frisch!“ schnauzte er. „Sehen Sie hin, es ist sogar noch blutig! Was glaubt er, was ich bin, ein verdammter Vampir?“
Der fette Mann wich auf seinem Stuhl zurück, erschrak, und lachte dann schallend. „Vampir, was? Mann, der war wirklich gut, den muss ich mir merken!“ Dann schrie er: „He, Ernie! Komm mal raus! Weißt du was? Du servierst jetzt Blut für Vampire! Sagt der Typ hier. Das müssen wir den Jungs erzählen.“
Er schnaufte und gluckste glücklich. Ernie kam raus und besah sich das unberührte Steak auf Connors Teller.
Wo ist das Problem?“ brummte er.
Es ist zu frisch und blutig, kicherte der fette Mann. „Er sagt, er ist kein Vampir, er kann das nicht essen.“
Tja, wenn Sie's nicht mögen, müssen Sie's nicht essen“ sagte Ernie zu Connor. „Macht dann nen Dollar sechzig.“
Connor schüttelte den Kopf. „Das macht dann keinen Cent.“ erwiderte er. „Das Fleisch ist nicht genießbar.“
Zu frisch und blutig!“ japste der Fette. „Oh, Jesus!“ Er wischte sich die Augen.
Sie haben ein Steak bestellt, und Sie haben eins bekommen“, sagte Ernie ausdruckslos. „Wollen Sie wirklich, dass ich die Bullen hole?“
Da liegen Sie genau richtig“, fauchte Connor. „Ich werde sie einen Blick auf das Steak werfen lassen, damit sie raffen, was für eine Sorte Essen Sie hier servieren. Ich nehme mal an, Sie haben nie von den Hygienevorschriften in diesem Bundesstaat gehört?“
Ernie schob sein Kinn vor und sagte nichts. Er nahm den Teller und kippte das Essen in den Mülleimer, um dann hinter dem Tresen hervorzukommen und sich vor Connor aufzubauen.
So“, raunte er. „ Sie werden jetzt die Eins Sechzig bezahlen, oder ich mach Ihnen Beine!“
He, Moment, wartet mal, Jungs“, mischte sich der fette Mann ein. „Du brauchst nicht so grob mit den Kumpel hier zu sein, Ernie. Du weißt selbst, daß das Fleisch nicht gut war, er hats nur laut ausgesprochen, das ist alles.“
Ernie sah unentschlossen aus, und Fatty setzte nach. „Ich sag dir was – warum machst du ihm nicht was anderes, irgendwas, das er essen kann? Dafür wird er auch blechen. Das ist doch fair, oder?“
Ernie war offensichtlich nicht dieser Ansicht. „Ich mach ihm was immer er bestellt, aber er hat auch das Steak zu bezahlen. Mein Essen kostet mich was. Kanns mir nicht leisten, es zum Fenster rauszuwerfen, bloß weil irgendwelche Weicheier zu mimosenhaft sind, ums runterzukriegen.“
Connor schüttelte nachdrücklich seinen Kopf. „Ich werd das Steak nicht bezahlen, und wenn Sie mir blödkommen, krieg ich Sie so schnell dran wegen tätlichen Angriffs, dass Sie nicht wissen, wo hinten und vorne ist.“
Ach ja?“ knurrte Ernie und trat einen Schritt näher.
He, wartet! Wartet doch mal!“ Der fette Mann lehnte sich vor und senkte seine Stimme verschwörerisch. „Wie wärs denn damit? Ernie, du hast doch noch dieses Stück... Wildfleisch, das ich letzte Woche mitgebracht habe, das wird auch nicht ewig halten. Wieso nimmst du nicht das als Friedensangebot? Dann kann er dafür soviel bezahlen wie für das Steak, und du machst keine Miese dabei. Und alle sind glücklich.“
Ernie zuckte die Achseln. „Es ist dein Fleisch. Wenn du es weggeben willst, ist es dein Problem. Trotzdem will ich das Geld für mein Steak.“
Was ist das für eine Sorte Wildfleisch?“ fragte Connor misstrauisch.
Der fette Man zwinkerte ihm zu und grinste. „Sie werden es mögen“, versicherte er. „Ist was Spezielles. Wir sollten dafür aber rübergehen ins Hinterzimmer. Ernie serviert es nicht gern hier draußen. Könnte jemand reinkommen.“
Connor war nicht erpicht darauf, in dubiose Geschäfte mit verbotenem Wildbret verwickelt zu werden, doch er hatte die Nase voll von der Streiterei, und er sah keinen Ausweg aus dem Dilemma: entweder zu zahlen oder eine Schlägerei anzufangen, und er konnte sich für keine der beiden Unannehmlichkeiten entscheiden. So stand er zögernd vom Stuhl auf und folgte dem fetten Mann ins Hinterzimmer. Dort standen ein Tisch und ein paar Küchenstühle herum, außerdem gabs noch einen kleinen alten Schrank in der Ecke. Der fette Mann watschelte mit vertrautem Gehabe zu dem Schränkchen hinüber und entnahm ihm eine halbvolle Flasche mit einer klaren Flüssigkeit samt zwei Gläsern.
Wie wärs mit einem Schlückchen, während wir warten?“
Warum nicht? Was ist das?“ fragte Connor.
Tja, auf jeden Fall keine Einbalsamierungsflüssigkeit, obwohl ich Bestatter bin, aber eigentlich erfüllt sie denselben Zweck. Ist guter alter Kornbrand.“
Okey“ gab Connor nach. „Aber nur einen kleinen, bitte.“
Es war tatsächlich Korn, ganz wie er sein sollte. Sie nahmen einen zweiten an dem Tisch unter einer schlichten herabhängenden Glühbirne, und Connor begann sich ein wenig milder gestimmt zu fühlen. Der fette Mann meinte es augenscheinlich nur gut mit ihm; er hatte sein Bestes getan, um eine kitzlige Situation zu entspannen, und Connor fing an, sich seiner anfänglichen Unhöflichkeit zu schämen.
Bald kam Ernie mit einer neuen Schüssel Pommes frittes und einem bedeckten Servierteller. Er setzte den Teller auf den Tisch und lüftete die Haube.
Ein unerträglicher Gestank durchflutete augenblicklich den Raum.
Das ist 'ne Überraschung, was?“ rief der fette Mann begeistert.
Connor drehte seinen Kopf und starrte mit eingefrorenem Blick auf das Ding auf dem Teller.
Lang richtig zu, Junge!“, sagte der fette Mann.
Connor versuchte sich zu erheben, stemmte sich an der Tischkante hoch, wich zurück und stolperte rücklings über den Stuhl hinter ihm. Dann lag er da, würgend, unfähig aufzustehen. Undeutlich hörte er Ernie schreien:
Du verdammter Idiot, Jake, das ist allein deine Schuld!“
Der fette Man schien seine Hände zu ringen; er hörte ihn stammeln: „Aber, Mensch, Ernie, wie sollte ich das denn wissen? Er musste doch der Typ sein, den Ed Perkins hergeschickt hat! Hat zu Perkins gesagt, er isst nie vor Mitternacht, er braucht ne Spezialdiät. Und er mag kein Blut! Er hat doch selbst gemeint, das Fleisch, das du ihm gegeben hast, wär ihm zu frisch. Ich...ich dachte, ich überrasche ihn, du weißt selbst, ich kriege bei mir immer mehr, als ich brauche, wie konnte ich...“
Schnauze!“ zischte Ernie. „Du und dieser Idiot Perkins habt es wieder mal vermasselt, so siehts aus. Ihr verdammten Ghule seid so bescheuert! Mir reichts, ihr könnt euch einen andern Treffpunkt für eure Geschäfte suchen!“ Er sah auf Connor hinunter, der immer noch in den umgestürzten Stuhl verheddert auf dem Boden lag. „Tja, wir können ihn hier nicht schreiend rauslaufen lassen.“ Er umrundete den Tisch und kam auf Connor zu, ein Steakmesser in der Hand.

Ralph Williams
Mistaken Identity
Tales of the Frightened #1, 1957
Übersetzung: Matthias Käther © 2020


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